Namibia: Die Hauptstadt Windhoek erfindet sich neu

Es ist warm, die Luft ist klar. Dramatisch versinkt die Sonne hinter den Bergen des Khomas-Hochlands. Erst honiggelb, dann orange, später blutrot. Der Tag endet mit einem Feuerwerk der Farben. Doch jetzt beginnt die Nacht. Und die hat es im „Stratos“ in sich. Während das Tageslicht weicht, füllt sich die Rooftop-Bar des Hotels „Avani“ mit Menschen. Der Kellner trägt Getränke aller Art heran: erlesene Weine, Gin Tonic, feine Whiskeys. Ein magischer Moment.

Das, was sich jeden Abend im 15. Stock des Hotels „Avani“ über den Dächern von Namibias Hauptstadt abspielt, ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Leben des neuen Windhoek. Auf der Dachterrasse des Hotels treffen sich kurz vor Sonnenuntergang Menschen aller Altersgruppen. Dann werden nicht nur erstklassige Getränke serviert, sondern auch kulinarische Köstlichkeiten aus aller Welt: frische „Westcoast“-Austern aus Namibia, Springbok-Filet aus Südafrika und Thai-Curry. Gerade Windhoeks neue Mittelschicht gibt sich im „Stratos“ gerne ein Stelldichein.

Noch vor einigen Jahren sagten sich Fuchs und Hase im Zentrum von Namibias Hauptstadt gute Nacht. Doch Windhoek erfindet sich gerade neu: Die Kolonialfassaden an der Independence Avenue gehen zwischen den verspiegelten Hochhäusern mittlerweile fast unter.

Die deutsche Architektur bildet einen Kontrast zu den Hochhäusern an der Independence Avenue

Diese: pa/dpa/Oliver Berg

Kaum ein Stein bleibt auf dem anderen. Denn seit einiger Zeit verlagert sich das Leben immer mehr auf die Dächer der Stadt: in die Rooftop-Bar des „Avani“ oder in die des schillernden „Hilton“-Hotels gleich gegenüber. Dazu eröffnet fast täglich irgendwo ein neues Café, eine neue Bar oder ein neues Restaurant. Eines der Highlights: das Craft Centre in der Tal Street mit seinem wunderbaren Café.

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Deutsche Spuren in Windhoek

Wer das Deutsche sucht, der findet es vielleicht noch in der Sprache und im Bierglas, aber immer weniger in der Architektur. Und was für ein Architekturmix das mittlerweile ist: die schillernden Gebäude an der neu geschaffenen Freedom Plaza, das hochmoderne „Hilton“-Hotel, das protzige Unabhängigkeitsmuseum, eine von Nordkoreanern inszenierte Architektur-Arie aus Gold und Plexiglas, und mittendrin als eines der wenigen Überbleibsel der Kolonialzeit die ingwerfarbene Christuskirche von 1910.

Eine Insel, die an vergangene Zeiten erinnert: die Christuskirche von 1910 in Windhoek, Namibia

Eine Insel, die an vergangene Zeiten erinnert: die Christuskirche von 1910

Quelle: Getty Images/imageBROKER RF/Matthias Graben

Eine von Afrikas kleinsten Hauptstädten boomt. Vor allem gastronomisch bietet die Stadt eine Vielfalt wie nie zuvor. Überall gibt es neue Verheißungen. Zum Beispiel im „Leo‘s Garden Restaurant“ im Stadtteil Eros.

Auf der Karte stehen namibisches „Free-Range“-Rind, Rinderrouladen mit Apfel-Rotkohl, hausgemachte Spätzle, Schnitzel nach Wiener Art, Seezunge, Kingklip und Adlerfisch – ein wunderbarer Mix aus bodenständiger deutscher und afrikanischer Küche. Gastgeber Leo Kurz ist ein Mann mittleren Alters, der einen gleich auf Deutsch empfängt.

Woran liegt der Boom seiner Hauptstadt? „Die Windhoeker suchen immer etwas Neues“, sagt Kurz. Der 51-Jährige muss es wissen. Er wurde in Rehoboth, eine Autostunde südlich der Hauptstadt, geboren, später ging er auf die Deutsche Höhere Privatschule (DHS) in Windhoek. 2019 eröffneten er und seine Frau Joelynn das Restaurant.

Kurz‘ Erfolgsrezept: „Wir servieren fast ausschließlich regionale Produkte, die saisonal verfügbar sind.“ Seine kulinarische Lieblingssaison ist der Südherbst, also die Monate April und Mai. „Wenn es zuvor gut geregnet hat, gibt es dann wieder Kalahari-Trüffel“, sagt der Gastwirt. „In einer feinen Soße zu Nudeln serviert oder einfach nur in Butter geschwenkt zu einem Wildsteak sind sie ein Traum.“

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Ein spektakulärer Blick auf die Hauptstadt von Namibia

Nicht nur die Stadt verändert ihr Gesicht rasant, auch die Menschen tun es: Die meisten Windhoeker sind heute unter 30 Jahre alt. Trotz Pandemie und wirtschaftlich schwieriger Zeiten entdecken viele von ihnen die Leichtigkeit des Seins. Sie wollen ihr Namibia schaffen. Überall sprießen kleine Geschäfte und Galerien aus dem Boden.

Junge, afrikanische Künstler verkaufen dort ihre Waren, ihren Schmuck, ihre Bilder. In der ganzen Stadt gibt es ein riesiges Angebot an Ethnokunst. Aber auch immer mehr moderne Kunst ist dabei. Kleine Ausstellungen, Vernissagen, aber auch größere Galerien wie die National Art Gallery genießen enormen Zulauf.

Windhoek: Vor dem Independence Memorial Museum erinnert ein Denkmal an Namibias früheren Präsidenten Dr. Sam Nujoma

Vor dem Independence Memorial Museum erinnert ein Denkmal an Namibias früheren Präsidenten Dr. Sam Nujoma

Was: pa/imageBROKER/Oliver Gerhard

Und über allem erhebt sich das Unabhängigkeitsmuseum. Hier treffe ich drei junge Damen. Sie sind schick zurechtgemacht, die Handtaschen leuchten im Nachmittagslicht. Die Südafrikanerinnen sind hier für eine Messe, doch ein paar Selfies müssen sein. Eine von ihnen ist Rose Miller aus Kimberley in Südafrika. Ihre Augen funkeln. „Ich liebe diese Stadt“, sagt die junge Dame, „sie ist so fotogen.“

Einst großer Zankapfel, weil von Nordkoreanern und nicht von Namibiern gebaut, hat sich der Streit um den „Coffee pot“, die überdimensionale Kaffeetasse, mittlerweile gelegt. Zwar halten viele Windhoeker das Museum immer noch für eine optische Verschandelung ihrer Stadt.

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Doch gerade bei jungen Besuchern ist es heute sehr beliebt, denn im vierten Stock ist eine neue Rooftop-Bar entstanden – und die hat es in sich, weil die Location wie gemacht ist für einen Sundowner.

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Im Westen versinkt die Sonne am frühen Abend golden hinter den Bergen, davor leuchten Windhoeks neue Hochhausfassaden an der Independence Avenue. Im Vordergrund ziehen die Autos bunte Leuchtspuren um die mehr als 110 Jahre alte Christuskirche. Das eisgekühlte Bier und die von Restaurantchef Michael Nathanael servierten Cocktails munden ganz ausgezeichnet, und der Blick ist vielleicht der schönste der Stadt.

Windhuk in Namibia

Quelle: Infografik WELT

Tipps und Informationen:

Anreise: Eurowings Discover fliegt Windhoek in etwa zehn Stunden ab 500 Euro von Frankfurt aus an. Alternativ fliegt Qatar Airways mit Zwischenstopp in Doha nach Windhoek.

Unterkunft: Die gemütliche Pension „Tenbergen“ liegt nahe des Zentrums (tenbergenpensionhotel.com-namibia.com/de/). Gute Alternativen sind das „Klein Windhoek Guesthouse“ (kleinwindhoekguesthouse.com) und das „Urban Camp“, dessen Ambiente außergewöhnlich ist, da man dort in Zelten schläft (urbancamp.net).

Essen und Trinken: Die empfehlenswerten deutschen und namibischen Gerichte in „Leo‘s Garden Restaurant“ sind durchweg mit frischen Zutaten zubereitet (leos.com.na). Die Dachterrasse des „Avani“-Hotels ist sehenswert (avanihotels.com). Auch die Rooftop-Bar des „Hilton“ ist grandios – nicht nur wegen der exzellenten Cocktails, sondern auch aufgrund des 18 Meter langen, beheizten Pools (hilton.com). Der schönste Blick bietet sich vom Nimms: nimms-restaurant.business.site.

Weitere Auskünfte: Namibia Tourism Board, namibia-tourism.com

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