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Nathalia hat Alpträume. Wie in einem Film spielen sich immer wieder die gleichen Szenen ab. Der Moment, als sie weglief. Wenn so ein Flashback passiert, ausgelöst durch Geräusche oder Bilder im Fernsehen, gerät sie in Panik. Sie schwitzt, zittert. Die Diagnose lautet Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).

Sie wird seit etwa fünf Monaten von Meryam Schouler-Ocak, Oberärztin der Psychiatrischen Ambulanz der Universitätspsychiatrischen Klinik Charité im Alexianer-St.-Hedwig-Krankenhaus in Berlin, behandelt. “Was in der Silvesternacht passiert ist, ist, dass sie sich von ihrem Kriegstrauma befreit hat”, erklärt die Berliner Ärztin.

Flashbacks und PTBS

Laut dem US Diagnostic and Statistical Manual (DSM-5) liegt ein Trauma vor, wenn eine Konfrontation mit Tod, Verletzung, Verlust oder sexueller Gewalt stattgefunden hat. „Und das ist auch dann der Fall, wenn es der Person selbst nicht passiert ist, sie aber Zeuge geworden ist, wie jemand es erlebt hat“, sagt Schouler-Ocak.

In einem Krieg, sagt sie, erlebe man nicht nur ein Trauma, sondern eine Reihe von traumatisierenden Erlebnissen, jeden Tag neue Traumata. Das beschreibt, was Nathalia durchgemacht hat.

Flashbacks sind das Ergebnis einer fehlerhaften Speicherung von Erinnerungen an das traumatische Erlebnis im Gehirn. Dabei spielen zwei Hirnareale eine zentrale Rolle: die Amygdala, wo Emotionen gebildet werden, und der Hippocampus, das Gedächtnis für Ort und Zeit – quasi das Navigationssystem des Gehirns für Raum und Zeit. Normalerweise werden Emotionen und Navigationsdaten gleichzeitig gespeichert. Damit dies gelingt, darf die Amygdala nicht zu stark aktiviert werden.

Die Schockphase tritt in den ersten Tagen nach dem Trauma auf und ist oft durch den Eindruck gekennzeichnet, nichts spüren oder fühlen zu können. „Ob sich daraus später eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt oder Sie wieder auf die Beine kommen, hängt sehr davon ab, ob Sie das Erlebte in den ersten zwei bis vier Wochen nach der Schockphase, in einer sogenannten Impact-Phase, verarbeiten können. “, sagt Schouler-Ocak. Dies ist die Zeit, in der das Gehirn entscheidet, wie es Ereignisse verarbeitet und ob es Strategien entwickelt hat, um mit dem Stress umzugehen.

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Strategien kopieren

Der Schlüssel liegt oft in der Kindheit. Menschen, die emotionale Sicherheit erfahren haben, können spätere traumatisierende Erfahrungen besser verarbeiten. In gut 40 % der Fälle bessern sich die Beschwerden von alleine. Aber wer keine Bewältigungsstrategien gelernt hat, um seine gequälten Seelen zu beruhigen, und wer keine Unterstützung erhält, läuft Gefahr, die Kontrolle über seine Emotionen zu verlieren. Mit jeder Missbrauchserfahrung aus der Kindheit und Jugend steigt das Sicherheitsgefühl und das Risiko, zu erkranken, überproportional an.

Neben PTBS handelt es sich häufig um Depressionen oder Angststörungen oder beides.

Dann kann die Amygdala die Speicherung von Gedächtnisinhalten an einem Ort und zu einer Zeit im Hippocampus hemmen. Dadurch werden Erinnerungen an Gefühle ohne zeitliche und örtliche Einordnung gespeichert – als einzelne Fragmente, nicht aber die Erinnerung an das Erlebnis als Ganzes.

Werden diese Erinnerungsfragmente später durch einen Auslöser aktiviert, in Nathalias Fall durch den Silvesterknall, dann erlebt der Betroffene die Situation, als wäre sie gerade passiert. Jeder Flashback bedeutet ein neues Trauma. Gefühle von Angst, Wehrlosigkeit, Hilflosigkeit und Kontrollverlust treten wieder auf. Hinzu kommen oft zusätzliche Leiden wie Sucht oder Essstörungen. „Fast 70 Prozent der Betroffenen haben nicht eine, sondern sogar zwei dieser traumabedingten Störungen“, berichtet Schouler-Ocak. „Neben PTBS sind es oft Depressionen oder Angststörungen oder beides.“

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Alex Chan Tsz Yuk/SOPA Bilder über Zuma

Trauma und der Körper: eine tiefe Verbindung

Nicht nur die Psyche, sondern auch der ganze Körper leidet. Körperliche Beschwerden wie Bauchschmerzen, Atemnot, Herzklopfen und Unsicherheit werden oft empfunden – manchmal nur als leichte Störung, manchmal als ausgeprägte Krankheit. „Traumatisierte Menschen wirken oft körperlich vorzeitig gealtert“, sagt die Psychologin und Psychotraumatologin Iris-Tatjana Kolassa, die den Lehrstuhl für Klinische und Biologische Psychologie an der Universität Ulm leitet. Sie sagt, eine traumatisierte Person sei permanent auf einem erhöhten Stresslevel und ständig in Alarmbereitschaft.

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„Chronischer, übermäßiger und traumatischer Stress hinterlassen immer Spuren in den Zellen unseres Körpers“, sagt Kolassa.

Besonders betroffen seien jene Zelltypen, die viel Energie benötigen, wie Gehirn-, Herz- und Leberzellen. Unter sehr hoher Belastung muss der Stoffwechsel dieser Zellen Höchstleistungen erbringen. Dazu benötigen sie Energie, die ihre winzigen Zellkraftwerke produzieren. Allerdings entsteht dann auch ein „Überschuss“ an oxidativem Stress, der die Erbsubstanz, Fette und Eiweiße schädigen kann.

In der Folge kommt es vermehrt zu entzündlichen Prozessen. „Wenn dieser Zustand lange anhält, kann ein normalerweise gut funktionierendes System überfordert sein“, sagt der Ulmer Forscher. Man fühlt sich dann kraftlos, antriebslos, hat Konzentrations- und Denkstörungen. „Außerdem führt posttraumatischer Stress zu Veränderungen im Immunsystem der Betroffenen, die sonst erst im späteren Leben auftreten würden.“ Auch ihr Risiko, früher an Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs oder immunologischen Erkrankungen wie Rheuma zu erkranken, steigt.

EMDR-Psychotherapie

Der Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung kann laut Kolassa helfen, die Symptome deutlich zu reduzieren. Die durch Stress verursachten negativen Auswirkungen könnten verbessert und entzündliche Prozesse möglicherweise wieder auf ein normales Maß reduziert werden. Nathalias Psychiater Schouler-Ocak stimmt zu. Die PTBS ihrer Patientin habe sich bereits gebessert, sagt sie. Und das, obwohl sie nur über einen Dolmetscher mit ihr kommunizieren kann. Oft reichen auch unspezifische Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen aus. Trotzdem wünscht sie sich mehr für Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen müssen. Die Methoden dazu existieren bereits.

Der Patient hält den Kopf ruhig und schaut auf die Hand des Therapeuten.

Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) ist eine spezielle Form der Psychotherapie zur Behandlung von Traumastörungen. Es wurde 2001 von Francine Shapiro vom Mental Research Institute in Palo Alto entwickelt. EMDR ist eine therapeutische Reise in die Vergangenheit: Nach einem genauen Protokoll stellt der Therapeut in acht Phasen Fragen zu dem, was der Patient erlebt hat und welche Gefühle, Gedanken und Körperempfindungen während des Erlebnisses gefühlt wurden. Der Patient hält den Kopf ruhig und schaut auf die Hand des Therapeuten. Die Augenbewegungen sprechen und verbinden gleichzeitig beide Gehirnhälften. Sie sollen die Aufmerksamkeit des Patienten von der traumatischen Erfahrung ablenken. Die durchlittene Situation wird neu bewertet und als vergangen betrachtet.

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Aber für Nathalia und andere ukrainische Flüchtlinge wird es viel zu selten genutzt. „Denn dafür muss ein Dolmetscher nicht nur die Sprache beherrschen, sondern auch über gute traumaspezifische Kenntnisse verfügen“, sagt Schouler-Ocak.

EMDR ist für den Patienten nicht einfach: Er wird mit Erinnerungen konfrontiert, die anstrengend sein können und zu Alpträumen führen können, und manchmal tauchen bisher unbekannte Traumata auf. Für Nathalia ist das Trauma trotz Genesung noch lange nicht vorbei. Sie kann fast jeden Tag mit ihrer Tochter sprechen, aber ihr Sohn ist oft tagelang nicht erreichbar, was sie mit erdrückender Unsicherheit erfüllt.

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