Erstmals Baby eines Weißen Hais gesichtet

Er war er der Star in Stephen Spielbergs „Jaws“ von 1975 und lieh dem deutschen Titel dieses Film sogar seinen Namen: der Weiße Hai Carcharodon carcharias, auch Menschenhai genannt. Zu seiner Ernährung beißt er zwar wesentlich lieber in Tinten- und Knochenfische bis hinauf zum Thunfisch als in Surfer oder Taucher, doch ist die Art tatsächlich die größte unter den Haien, die sich eines Gebisses bedienen, und der größte Raubfisch der geologischen Gegenwart.

Trotz seiner medialen Prominenz ist der Weiße Hai – den man schon deswegen großzuschreiben hat, weil er nur auf der Unterseite weiß ist – in manchen Aspekten noch nicht vollständig erforscht. Insbesondere über sein Paarungsverhalten ist nicht viel bekannt, und bislang konnte man seine Babys nur anhand von Embryonen in erlegten Muttertieren studieren. Lebende Neugeborene des Weißen Hais wurden nie beobachtet.

Bis zum 9. Juli 2023. An diesem Tag ließen der Naturfilmemacher Carlos Gauna und Philip Sternes, Doktorand der Biologie an der University of California in Riverside, vor der kalifornischen Küste unweit von Santa Barbara eine Drohne über dem Pazifik kreisen. Da erschien auf einmal etwas Eigentümliches auf dem Kontrollbildschirm: ein etwa anderthalb Meter langer Weißer Hai, der tatsächlich vollkommen weiß war. „Wir drehten die Vergrößerung hoch, schalteten auf Zeitlupe und erkannten, dass der weiße Belag sich von dem Körper ablöste, während er schwamm“, erinnert sich Sternes. „Ich denke, es war ein gerade geborener Weißer Hai, der seine embryonische Außenschicht abstieß.“

Eierschmaus im Mutterleib

Die Beobachtungen wurden nun in einem soeben erschienenen Artikel in der Fachzeitschrift Umweltbiologie der Fische dokumentiert und eingeordnet. Dabei erörtern die Autoren auch die Möglichkeit, bei dem abgeschälten weißen Gewebe könnte es sich um eine krankhafte Bildung gehandelt haben. Eher dürfte es durch ein milchiges Uterussekret gebildet worden sein, dass die Haimütter an den Innenseiten ihrer beiden Uteri absondern und das den ungeborenen Haibabys als Nahrung dient.

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Denn wie viele Haiarten ist Carcharodon carcharias lebendgebärend: Die Weibchen legen ihre Eier nicht ab, vielmehr schlüpft die Brut schon im Mutterleib – bis zu 14 auf einmal wurden schon angetroffen – und tut sich dann an unbefruchtet gebliebenen Eiern sowie dem Gebärmuttersekret gütlich. Bei Sandtigerhaien (Carcharias Taurus) wurde allerdings ein intrauteriner Kannibalismus beobachtet. Hier erlebt in jedem Uterus nur ein Embryo seine Geburt.

Ein weiterer Grund für die Annahme, das beobachtete Jungtier sei gerade erst geboren worden, sind die Beobachtungen von schwangeren Weißen-Hai-Weibchen in den Gewässern vor Santa Barbara durch Carlos Gauna in den Vorjahren sowie in den Wochen vor dem 9. Juli 2023. „Ich habe in den Tagen davor drei große, wahrscheinlich trächtige Weibchen gefilmt“, erklärt Gauna. „Da bedarf es nicht viel Phantasie, um sich zu erklären, woher das Baby kam.“

Drittens erkannte der Biologe Sternes bei dem dann gefilmten Exemplar die typischen Körpermerkmale eines frischen Jungtieres. „Meiner Ansicht nach war es erst einige Stunden alt, höchstens einen Tag.“ Wissenschaftlich interessant ist die Beobachtung auch deswegen, weil es dadurch zum ersten Mal Hinweise darauf gibt, wo die Weißen Haie ihre Jungen vorzugsweise zur Welt bringen: in relativer Nähe zur Küste, in diesem Fall etwa 330 Meter vom Strand entfernt. Nicht wenige Wissenschaftler hatten vermutet, das passiere weiter draußen auf hoher See. Das sei auch für die Bemühungen zum Erhalt dieser Art wichtig. Denn fast fünzig Jahre nach „Jaws“ ist der Weiße Hai eine gefährdete Art.

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