Das Maß aller Dinge sind 1435 Millimeter, jedenfalls in der Welt der Eisenbahn. Exakt so breit ist das Standardgleis in Deutschland und den meisten Ländern rund um den Globus. Doch ist diese „Normalspur“ tatsächlich die Norm, ebenso wie Strom oder Diesel als Energiequelle? Nicht unbedingt.
Die aktuelle Sonderausstellung „Futurails“ im DB-Museum Nürnberg zeigt, dass die Entwicklung hin zur heutigen „Normalbahn“ keineswegs zwangsläufig war. Dass schon seit Langem alternative Visionen zum Verkehr auf der Schiene existieren – von Monorail bis Breitspurbahn. Dass ganz andere Antriebsmöglichkeiten für Züge denkbar sind als die heute üblichen. Und dass es faszinierende neue Bahnkonzepte für das 21. Jahrhundert gibt, von denen nicht klar ist, ob sie Science-Fiction bleiben oder Chancen auf Umsetzung haben.
Sechs der spannendsten Ideen aus Vergangenheit und Zukunft aus der gut gemachten Ausstellung (die den passenden Untertitel „Wege und Irrwege auf Schienen“ trägt) stellen wir hier näher vor. Als eine Zeitreise, die zeigt, dass der Bahnhorizont deutlich über 1435 Millimeter hinausreicht.
Eine Lok mit Atom-Antrieb
Der Fortschrittsglaube nach dem Zweiten Weltkrieg war grenzenlos in Ost und West und gipfelte in den 50er-Jahren in der Idee, Nuklearlokomotiven zu bauen. Der Entwurf amerikanischer Ingenieure sah aus wie eine Mischung aus Rakete und Dampflok (Abbildung), das Schienengeschoss hätte 7000 PS und 80.000 Kilometer Reichweite gehabt.
Ähnliche Pläne verfolgten die Sowjets, das Projekt wurde von der westdeutschen Zeitschrift „Hobby“ 1956 gefeiert unter dem Titel „Superzüge rasen durch die Taiga“. Gesundheits- und Umweltgefahren wurden anfangs geradezu naiv ignoriert, die Folgen eines möglichen Atomzugunfalls mit denen einer Dampfkesselexplosion gleichgesetzt. Erst als sich die Erkenntnis durchsetzte, dass ein Atomreaktor auf Schienen unbeherrschbare Gefahren bergen würde, wurden die Konzeptstudien ad acta gelegt.
Schwebebahn mit Magnetkraft
In Deutschland wurde die Idee einer radlosen Magnetschwebebahn 1934 patentiert, sie gipfelte im Transrapid. Der wurde ab 1969 entwickelt und im Emsland eine 31-Kilometer-Versuchsstrecke errichtet. Zum Bau regulärer Strecken (etwa zwischen Berlin und Hamburg oder in München zum Flughafen) kam es jedoch nie.
Die deutsche Technik wurde aber nach China exportiert: In Shanghai ist die Magnetschwebebahn seit 2004 auf einer 30-Kilometer-Strecke zum Flughafen mit Spitzentempo 430 im Linieneinsatz. Pläne, die Magnetbahn auszubauen, wurden in China allerdings auf Eis gelegt.
Dagegen glaubt Japan an die Technologie und baut an einer SCMaglev genannten Magnetbahn (Foto), die ab 2027 mit bis zu 505 km/h von Tokio nach Nagoya und ab 2037 bis Osaka rauschen soll.
Einschienenzug auf Hochtrasse
Schon im 19. Jahrhundert kam die Idee auf, Züge nur auf einem statt auf zwei Gleisen fahren zu lassen. So eine Monorail braucht weniger Platz, spart Reibung und damit Energie. Um 1880 entwarf der Amerikaner Joe Meigs zylinderförmige Dampfzüge, die auf einer Hochtrasse durch Boston hätten fahren sollen (Bild); am Ende konnten sie sich nicht durchsetzen.
Dafür wurde die Monorail-Idee anderswo aufgegriffen: Etwa in Wuppertal in Form der Schwebebahn (die in Wirklichkeit nicht schwebt, sondern an einer Schiene hängt), und vor allem in Asien, wo aufgeständerte Einschienenbahnen zum Beispiel im Nahverkehr von Tokio, Kuala Lumpur und in Daegu (Südkorea) unterwegs sind.
Eine fliegende Eisenbahn
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Flugzeuge zur Inspiration für die Eisenbahn. Der Schotte George Bennie eröffnete 1930 eine Versuchsstrecke in Glasgow, sein Railplane war eine Hängebahn mit Fahrzeugen, die von Flugzeugpropellern angetrieben wurden (Bild).
Ein ähnliches System plante der deutsche Ingenieur Franz Kruckenberg für die Strecke Berlin–Ruhrgebiet, doch er bekam nicht genügend Kapital zusammen und baute stattdessen im Auftrag der Reichsbahn einen sogenannten Schienenzeppelin – einen stromlinienförmigen Triebwagen mit Propellermotor, der 1931 Tempo 230 erreichte, damals Weltrekord! Beide Systeme kamen über das Versuchsstadium nicht hinaus.
Die Breitspurbahn von Adolf Hitler
Nicht in der Sonderschau, aber im „Futurails“-Begleitbuch und in der Dauerausstellung des DB-Museums wird eine größenwahnsinnige Vision des Schienenverkehrs vorgestellt, die nie umgesetzt wurde: eine Breitspur-Fernbahn, die Adolf Hitler nach gewonnenem Krieg durch Deutschland und das besetzte Europa bauen wollte.
Das Gleis sollte eine Spurweite von 3000 Millimetern haben, ein Waggon wäre sechs Meter breit gewesen und hätte auf zwei Etagen achtmal so viele Passagiere beherbergt wie ein klassischer D-Zug-Wagen. Ab 1941 erarbeitete die Reichsbahn konkrete Pläne, auch für Luxuszüge mit opulenten Speisewagen (Zeichnung).
Im Hyperloop durch die Röhre
Passagierkapseln, die mit Schallgeschwindigkeit durch eine luftleere Röhre rasen: Das ist die Idee hinter Hyperloop. Das Projekt wurde zeitweise von Visionär Elon Musk unterstützt, die TU München ist in der Forschung weltweit führend und plant für 2023 die Eröffnung einer Versuchsanlage in Originalgröße.
Hyperloop wäre schnell wie ein Flugzeug, die Reise von Hamburg nach Köln würde gerade mal 30 Minuten dauern. Technische und finanzielle Realisierbarkeit stehen allerdings in den Sternen.
„Futurails“ läuft bis zum 3. Dezember 2023 im DB-Museum Nürnberg, täglich geöffnet außer montags, Eintritt 9 Euro. Das informative, illustrierte Begleitbuch hat 176 Seiten und kostet 19 Euro (dbmuseum.de).