Weniger Krankenhausbetten sinnvoll auf Standorte…

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Berlin – Aufgrund des demografischen Wandels, Personalmangels in der Pflege, aber auch wegen Verände­rungen im ärztlichen Bereich könnten bald deutlich weniger Krankenhausbetten zur Verfügung stehen. Das sagte Christian Karagiannidis, Mitglied der Regierungskommission Krankenhaus heute bei der Veranstaltung „Zukunft der Gesundheitsversorgung“.

„Wenn wir optimistisch schätzen, dann haben wir Ende der 20er-Jahre 30 Prozent weniger Betten zur Verfü­gung“, sagte Karagiannidis. Diese Entwicklung sei auch mit Veränderungen im ärztlichen Bereich zu erklären.

Die Work-Life-Balance stehe zunehmend im Fokus, es werde unattraktiver in ländlichen Regionen zu arbeiten und immer schwieriger, arbeitsintensive Bereiche wie die Intensiv- oder Notfallmedizin zu besetzen, erklärte der Intensivmediziner.

„Wir müssen uns keine Sorgen machen, dass wir in Deutschland eine Unterversorgung bekommen, zumindest was die Anzahl der Betten betrifft“, so Karagiannidis. Aktuell gebe es rund 440.000 Krankenhausbetten in Deutschland. Wenn von dieser Zahl dreißig Prozent abgezogen werden, könne immer noch eine gute Versor­gung sichergestellt werden, vorausgesetzt die Betten würden vernünftig verteilt.

Wichtig sei, die rund 1.700 Krankenhausstandorte so umzustrukturieren, dass das weniger werdende Personal besser verteilt und die Versorgung gesichert sei. Zugeordnet zu den Notfallstufen des Gemeinsamen Bundes­ausschusses (G-BA) müssten insbesondere Kliniken der Stufen zwei und drei aufgerüstet werden, damit die Bevölkerung innerhalb von 30 Minuten versorgt werden könne.

Das Zielbild sei anstatt aktuell 164 Standorte des Level 3 (Maximalversorger) künftig 185 Standorte zu haben, sagte Karagiannidis. Statt aktuell 261 Level-2-Kliniken bräuchte es Karagiannidis zufolge jedoch eher 350 Standorte. Level-1-Krankenhäuser sollte es laut dieser Prognose deutlich weniger geben: Statt derzeit 648 nur noch 350 Standorte. Krankenhäuser, die keinem Level zugeordnet werden können, würden wegfallen und es sollte 280 statt 350 Fachkliniken geben, so Karagiannidis.

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In wenigen Jahren noch rund 320.000 Krankenhausbetten

Insgesamt würden mit diesem Zielbild 1.165 Krankenhäuser mit knapp 320.000 Betten existieren. Wenn die­ser Weg nicht beschritten werde, dann „werden wir das Personal weiter ausquetschen“, warnte Karagiannidis.

Auch aus wirtschaftlichen Gründen sei es nicht sinnvoll in allen Krankenhäusern künftig weniger Betten vor­zuhalten, sagte Boris Augurzky, Leiter des Kompetenzbereichs „Gesundheit“ am Leibniz-Institut für Wirtschafts­forschung (RWI) und ebenfalls Teil der Expertenkommission.

Kleinere Krankenhäuser verlieren zudem perspektivisch betrachtet sowohl einfache als auch komplexe Fälle, so Augurzky. Letztere werden mehr und mehr in zentralisierten Häusern mit moderner Ausstattung behandelt und leichtere Fälle könnten künftig besser ambulant oder auch telemedizinisch behandelt werden.

Deshalb seien verstärkt auch dezentrale Angebote und mehr Level 1i Krankenhäuser nötig. Diese Häuser sei­en insbesondere für die flächendeckende Versorgung der älteren Bevölkerung wichtig, ergänzte Karagiannidis. „Level 1i ist absolut essenziell für die Versorgung.“

Auch für die Aus-, Fort- und Weiterbildung seien nicht nur Universitätskliniken oder Krankenhäuser der oberen Levels wichtig, sagte auch Jochen Werner, ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklini­kums Essen. Hierfür werden künftig auch verstärkt andere Partner inklusive Arztpraxen benötigt, so Werner. „Es gibt auch Krankheitsbilder, die man in Praxen erlernen kann.“ Dieses Denken müsse sich in der Ärzteschaft stärker etablieren, forderte er.

Kompromissmöglichkeiten bei Versorgungsstufen

Karagiannidis pochte zudem erneut auf die Einführung von festen Versorgungsstufen oder Leveln bei der Krankenhausreform. „Eine Reform ohne Level könnte man zwar technisch bauen, dafür würden wir aber mehrere Jahre brauchen.“

Die einzelnen Strukturvoraussetzungen müssten an entsprechende Leistungsgruppen gekoppelt werden und sehr genau definiert werden, so Karagiannidis. Unter Berücksichtigung der Prozesse in Deutschland wäre man damit ungefähr fünf bis sieben Jahre beschäftigt. „Die Zeit haben wir nicht in Anbetracht des demografischen Wandels.“

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Er plädierte deshalb für die Einführung der Level, um die Reformprozesse zu vereinfachen und auch zu be­schleunigen. Trotzdem müssten Kompromisse gefunden werden, wie etwa zuletzt bei der Geburtshilfe. Diese soll, nicht wie ursprünglich vorgesehen, nun für alle Levels freigegeben werden.

Auch dass Stroke Units nicht zwingend in Level-2-Krankenhäusern vorgehalten werden müssen, sondern die entsprechenden Kliniken auch Teil eines Schlaganfallnetzwerks sein können, sei ein weiterer denkbarer Kom­promiss. Öffnungsklauseln für die Länder und Vergütungssysteme müssten aber bundeseinheitlich formuliert werden, betonte er.

Damit äußerte sich Karagiannidis zu den unterschiedlichen Vorstellungen der Reformbeteiligten. Die Bundes­länder positionierten sich zuletzt deutlich gegen die Einführung der Levels, der Bund sieht diese aber ähnlich wie Karagiannidis als notwendig an.

Investitionskosten: Rund vier bis fünf Milliarden Euro pro Jahr benötigt

Bezüglich der Kostenfrage der Reform schätzt Augurzky, dass die Reform rund vier bis fünf Milliarden Euro pro Jahr, also rund 50 Milliarden Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren an Investitionskosten kosten könnte. Die Kommission errechne zurzeit genauere Abschätzungen zu dieser Kostenfrage.

Diesbezüglich forderte auch der Geschäftsführer des Klinikums Essen, Matthias Ziegler, bei einer Pressekonfe­renz des Klinikverbundes Qualität und Management im Krankenhaus (QuMiK), eine vollständige Refinanzie­rung der Investitionskosten, die durch eine Krankenhausreform entstünden.

Er pochte zudem auf schnelle Konkretisierungen der Reforminhalte und darüber hinaus Sofortprogramme, die die Krankenhäuser wirtschaftlich stabilisieren, darunter einen Inflationsausgleich als auch eine vollständige Finanzierung der Tariflohnsteigerungen. © cmk/aerzteblatt.de

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