Wall Street zeigt sich uneinheitlich

New York Überraschend schwache Konjunkturdaten und uneinheitliche Konzernbilanzen machen die Anleger an der Wall Street nervös. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte notierte am Dienstag knapp im Plus bei 35.582 Punkten. Der breiter gefasste S&P 500 gab 0,3 Prozent auf 4576 Zähler nach. Der Index der Technologiebörse Nasdaq verlor 0,4 Prozent auf 14.296 Punkte.

Für schlechte Stimmung sorgten unter anderem enttäuschende Konjunkturdaten. Der Einkaufsmanagerindex für die US-Industrie stieg zwar um 0,4 auf 46,4 Zähler. Von Refinitiv befragte Experten waren allerdings von 46,8 Punkten ausgegangen. Die Zahl der offenen Stellen in den USA ist ebenfalls auf das niedrigste Niveau seit über zwei Jahren gefallen.

Ein eingetrübtes Bild lieferte auch die chinesische Industrie. „Es ist zwar nichts, was nicht mit dem übereinstimmt, was wir schon seit einigen Monaten beobachten“, sagte Tom O’Hara, Portfoliomanager bei der Investmentgesellschaft Janus Henderson. „Was die Anleger allerdings nervös macht, ist das Rätselraten, wann der Rückgang der Industrietätigkeit die Talsohle erreicht.“

Die schwachen Konjunkturdaten aus der Volksrepublik drückten auch die US-notierten Aktien chinesischer Unternehmen. Die Titel der Online-Handelsplattform Alibaba, der Video-Sharing-Website Bilibili, des Online-Versandhauses JD.Com, der Suchmaschine Baidu, des E-Autobauers Nio und des Technologie-Konglomerats Tencent verloren zeitweise zwischen zwei und sechs Prozent.

Auch die uneinheitlich ausgefallenen Bilanzen und Prognosen hielten die Investoren auf Trab. „Was wir bislang gesehen haben, ist, dass die meisten Unternehmen die Gewinnerwartungen übertroffen haben. Wenn man allerdings an der Oberfläche kratzt, findet man die zugrunde liegende Erwartung, dass diese Gewinne sinken werden,“ sagte Mike Olsen, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter Motley Fool. Eine Prognosesenkung setzte etwa JetBlue Airways zu. Die Aktie der Fluggesellschaft brach gut acht Prozent ein.

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Der Ölpreis legte nach den jüngsten starken Gewinnen eine Verschnaufpause ein. Die Nordsee-Rohölsorte Brent und die leichte US-Sorte WTI lagen jeweils leicht im Minus bei 85,17 beziehungsweise 81,62 Dollar pro Barrel (159 Liter).

Gold unter Druck

Die Experten sprachen von einer kurzfristigen Korrektur. Es sei seit Monaten vorhergesagt worden, dass die globale Ölnachfrage in der zweiten Hälfte des Jahres steigen wird, sagte Analyst Tamas Varga vom Ölmakler PVM. Rezessionssorgen hätten die Anleger zwar Anfang des Jahres vorsichtiger werden lassen.

„Dann kam der Juli, und die Stimmung änderte sich schlagartig.“ Grund sei die Erwartung, dass die voraussichtliche Zinspause der großen Notenbanken eine Rezession in den großen Volkswirtschaften vermeiden lässt.

Die Aussicht auf eine „weiche Landung“ der US-Wirtschaft hielt unterdessen einen Deckel auf dem Goldpreis. Das gelbe Metall verbilligte sich um gut ein Prozent auf 1943 Dollar je Feinunze. „Denn nur im Falle einer Rezession dürfte die US-Notenbank Fed wohl ihre Zinsen in absehbarer Zeit deutlicher senken, was Gold zugutekommen würde“, sagte Commerzbank-Rohstoffexpertin Thu Lan Nguyen. Bei hohen Leitzinsen investieren Marktteilnehmer eher in sichere, aber verzinste Anlagen, anstatt Gold zu kaufen, worauf es keine Zinsen gibt.

US-Börsenexperte Koch: Dreht der Wind an der Wall Street?

Blick auf weitere Einzelwerte

Merck: Der US-Pharmakonzern profitiert von einer hohen Nachfrage nach seinen umsatzstärksten Medikamenten. Dank guter Geschäfte mit der Krebsimmuntherapie Keytruda und dem HPV-Impstoff Gardasil fuhr Merck & Co im zweiten Quartal einen Umsatz von 15 Milliarden Dollar ein, ein Plus von drei Prozent.

Das Unternehmen arbeitet gegenwärtig daran, sein Arzneimittelportfolio zu erweitern, da die Blockbuster-Krebsimmuntherapie Keytruda voraussichtlich 2028 wichtige Patente verliert. Vorstandschef Rob Davis hält deshalb nach weiteren Übernahmen Ausschau. Die Aktie legte zunächst zu, drehte im Handelsverlauf jedoch ins Minus.

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Raupe: Höhere Infrastrukturausgaben in den USA haben die Nachfrage nach den Produkten des US-Baumaschinenherstellers im zweiten Quartal angekurbelt. Die Aktie klettert um mehr als acht Prozent nach oben. Die Nachfrage nach schwerem Gerät für Bauprojekte hat angezogen, weil die USA im Rahmen eines 2021 vom Senat verabschiedeten Infrastruktur-Pakets zahlreiche Straßen und Eisenbahnstrecken ausbauen.

Pfizer: Der US-Pharmakonzern leidet stärker als erwartet unter einem rückläufigen Corona-Geschäft. Im zweiten Quartal setzte Pfizer mit dem zusammen mit Biontech entwickelten Covid-Impfstoff Comirnaty sowie mit dem Corona-Medikament Paxlovid 1,6 Milliarden Dollar um. Analysten hatten allerdings alleine mit Comirnaty einen Umsatz von 1,4 Milliarden erwartet, weitere 1,08 Milliarden sollte Paxlovid bringen. Das Pfizer-Papier verlor im Handelsverlauf zeitweise 0,6 Prozent.

Lücke: Die Einzelhandelsaktie kletterte zeitweise um mehr als zwei Prozent nach oben, nachdem Barclays das Papier von „Equal Weight“ auf „Overweight“ hochgestuft hatte. Die Analystin Adrienne Yih gab dem Unternehmen ein Kursziel von 13 Dollar, was gegenüber dem Schlusskurs vom Montag ein Plus von 26 Prozent bedeutet.

Uber: Enttäuschende Quartalszahlen belasten die Aktie von Uber. Die Papiere des US-Fahrdienstes geben um sechs Prozent nach. Das Unternehmen hat zwar dank seines Sparprogramms und einer wachsenden Nachfrage im zweiten Quartal zum ersten Mal einen Gewinn erzielt. Der Umsatz fiel mit 9,23 Milliarden Dollar allerdings unter den Analystenerwartungen aus. Die Experten sind im Schnitt von 9,33 Milliarden Dollar ausgegangen.

Norwegische Kreuzfahrt: Eine Prognose unter den Analystenerwartungen schickt Norwegian Cruise in den Keller. Die Anteilsscheine des US-Kreuzfahrt-Anbieters stürzen um 13,5 Prozent ab. Das Unternehmen erwartet für das dritte Quartal einen bereinigten Gewinn von 0,70 Dollar pro Aktie. Die Analysten sind im Schnitt von 0,79 Dollar ausgegangen. Die starken Zahlen des Rivalen Royal Caribbean hätten die Messlatte für andere Reedereien sehr hoch gesetzt, sagte Patrick Scholes von der Investmentbank Truist Securities.

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