Regionalwahlen in Amerika: Durchatmen im Weißen Haus

Es hätte ein schwarzer Tag für Joe Biden werden können. Vor den Regionalwahlen in einigen amerikanischen Bundesstaaten hatten Umfragen für Anspannung unter Demokraten gesorgt. Nicht nur hatten Demoskopen Negativrekorde in den allgemeinen Zustimmungswerten für den Präsidenten ermittelt. Auch in den entscheidenden „Swingstates“ sah die Lage in den Befragungen nicht besser aus. Niederlagen in regionalen Abstimmungen hätten womöglich den Damm gebrochen und eine Debatte darüber losgetreten, ob die Demokraten nicht doch noch über eine Alternative zu dem bald 81 Jahre alten Amtsinhaber für die Wahl in einem Jahr nachdenken sollten.

Majid Sattar

Politischer Korrespondent für Nordamerika mit Sitz in Washington.

Das Desaster blieb aus. Vor allem in Virginia. Zwei Fragen hatten dabei nationale Bedeutung: Würde es dem republikanischen Gouverneur von Virginia, Glenn Youngkin, der selbst nicht zur Wahl stand, gelingen, auch das Parlament in der Hauptstadt Richmond für seine Partei zu erobern? Also die Kontrolle im Abgeordnetenhaus zu behalten und die Mehrheit der Demokraten im Senat zu brechen? Dann hätte er nicht nur durchregieren können, sondern hätte womöglich auch erwogen, als später Kandidat ins Rennen um das Weiße Haus einzusteigen. Es gelang nicht: Im Senat verteidigten die Demokraten ihre Kontrolle. Auch die Mehrheit im Abgeordnetenhaus konnten die Demokraten zurückgewinnen.

Youngkin gelang vor zwei Jahren ein Überraschungssieg

Virginia war einst eine republikanische Hochburg. Seit der Präsidentenwahl 2008, nach der Barack Obama ins Weiße Haus einzog, haben die Demokraten aber alle vier Jahre in dem Südstaat vorne gelegen. Das lag vor allem am Bevölkerungszuwachs im nördlichen Virginia, das faktisch Teil der Metropolregion Washingtons ist – das heißt, die Region ist strukturell linksliberal. Politisch gehört der Großraum Washington zur Ostküste. Vor zwei Jahren war Youngkin, ein durch und durch konservativer Politiker, der aber nicht die Nähe Donald Trumps sucht, in der Gouverneurswahl dann ein Überraschungssieg gelungen. Das machte ihn schnell für manchen in seiner Partei zu einem potentiellen Präsidentschaftskandidaten.

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Youngkin entschied aber, 2024 nicht anzutreten. Es gab Mutmaßungen, ein Wahlerfolg in den Parlamentswahlen in Richmond hätte ihn veranlasst, seine Entscheidung zu überdenken. Freilich gab es auch diejenigen in der Partei, die glaubten, Youngkin werde es sich nicht antun, gegen Trump zu kandidieren. Er warte geduldig auf die Nach-Trump-Zeit in seiner Partei.

Virginia wurde zudem zum Test über eine andere Frage: Ob nämlich die Abtreibungsfrage, die seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, das Grundsatzurteil Roe v. Wade zu kippen, wieder auf der Tagesordnung steht, wie in den Kongresswahlen 2022 Wähler für die Demokraten mobilisiert. Youngkin hatte angekündigt, im Falle eines Siegs einen Gesetzentwurf durch beide Kammern zu bringen, der Abtreibungen nur noch in den ersten 15 Schwangerschaftswochen erlaubt – abgesehen von Ausnahmefällen: Vergewaltigung, Inzest sowie Lebensgefahr für die Mutter. Die Demokraten machten dies zum Wahlkampfthema. Ihre Kampagne funktionierte.

Ohio verankert Recht auf Abtreibung in Verfassung

Auch in Ohio, einem ehemaligen „Swingstate“, in dem inzwischen die Republikaner dominieren, stimmten die Wähler in einem Referendum für eine Verfassungsergänzung, die das Recht auf Abtreibungen schützt. Das Parlament in der Hauptstadt Columbus hatte 2019 ein Gesetz verabschiedet, das Abtreibungen nach der sechsten Schwangerschaftswoche verbietet. Es war aber noch nicht in Kraft getreten, da es vor Gericht angefochten wurde.

Gute Nachrichten für die Demokraten gab es auch in Kentucky. In der republikanischen Hochburg wurde der demokratische Gouverneur Andy Beshear, der von einem afroamerikanischen Republikaner herausgefordert wurde, im Amt bestätigt. Für Biden war der Wahlabend nach schwierigen Wochen so ein kleiner Lichtblick.

Biden liegt in fünf von sechs „Swingstates“ hinter Trump

Derzeit spricht viel für ein „Rematch“ zwischen dem Amtsinhaber und seinem Vorgänger Trump, der das Feld der republikanischen Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur klar anführt. Bidens Hauptargument dafür, trotz seines hohen Alters abermals anzutreten, lautet: Nur er könne einen Sieg Trumps verhindern – wie 2020. Genau daran kamen kürzlich Zweifel auf – durch eine von der „New York Times“ veröffentlichte Umfrage über die politische Stimmung in den entscheidenden „Swingstates“: Danach liegt Biden in fünf der sechs umkämpften Bundesstaaten, deren Wahlleute er 2020 hatte gewinnen können, hinter Trump. Nämlich in Arizona, Georgia, Nevada, Michigan und Pennsylvania. Nur in Wisconsin hat er derzeit einen knappen Vorsprung. Bidens Alter sei dabei ein Faktor. Ein anderer ist, dass die linke Parteibasis seine Unterstützung für Israel nach dem Terror-Angriff der Hamas kritisch sieht. Auch seine Wirtschaftspolitik und die Migrationskrise schadeten ihm nach Angaben der Demoskopen.

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Die Umfrage verstärkte die Unruhe in der Partei: Demokratische Senatoren und Abgeordnete äußerten ihre Sorgen über den Kandidaten Biden – manche offen, manche hinter vorgehaltener Hand. Nach dem Wahlabend am Dienstag konnte Biden ein wenig durchatmen.

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