Pionier der Klimaneutralität: das Skigebiet Carezza

Den glühenden Felsen des Rosengartens und den in allen Farben des Regenbogens schillernden Wassern des ihn spiegelnden Karersees verdanken die Dolomiten viele ihrer alten Sagen. Sie berichten nicht selten von verborgenen Schätzen in den Bergen, nach denen fleißige Zwergenvölker in tiefen Stollen suchten. Schließlich mussten diese Berge, die ihren Bewohnern ein so entbehrungsreiches Leben abverlangten, sie mit Lawinen, Muren und Felsstürzen bedrohten, doch irgendeine Hoffnung auf Reichtum und Glück bieten. Und was hätte es anderes sein können als Kristalle, Gold oder Silber, welche die furchteinflößenden Riesen in ihrem Innersten bargen? Irgendwann aber entdeckten die Menschen im Eggental am Fuß des Rosengartens wie anderswo in Südtirol, dass der wahre Schatz nicht in den Bergen versteckt lag, sondern sich vor aller Augen auf deren Flanken ausbreitete – in Form von Myriaden einzigartiger Kristalle, die das Licht in ebenso vielen Farben brachen, wie der Karersee, der in der alten Ladinischen Sprache Regenbogensee heißt.

Ein Wunder der Physik

Zu verdanken war die Wandlung des Schnees von der lebensbedrohenden Na­turgewalt zur Quelle von Wohlstand dem Aufkommen des modernen Wintersports. Aber wie es Schätze so an sich haben, blendete auch dieser seine Betrachter. All die Liftmasten, die man Fördertürmen gleich errichtete, erwiesen sich als nutzlos, wenn der Schnee ausblieb. Das tat er in Südtirol oft. Und so wäre Ende des vergangenen Jahrhunderts in vielen Skigebieten, die in den schneereichen Sechzigerjahren hochgezogen worden waren, die Lichter ausgegangen. Doch dann konstruierte ein Mann eine Maschine, die Wasser in Schnee verwandeln konnte. Das veränderte alles. Der Mann heißt Georg Eisath.


Das schönste Antlitz der Alpen: Spektakulärer als in den Dolomiten sind sie nirgendwo.
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Bild: Picture Alliance

Der 1957 in Eggen geborene Eisath arbeitete 1982 als Betriebsleiter im wenige Kilometer oberhalb seines Geburtsorts gelegenen Skigebiet Latemar. Zuvor hatte es einige schneearme Winter gegeben, und so erhielt er von der Geschäftsführung den Auftrag, eine Beschneiungsanlage zu planen. Alles, was seinerzeit am Markt verfügbar war, fast ausschließlich Produkte amerikanischer Herkunft, befand Eisath als ungeeignet. Entweder waren die Düsen zu fein für das mit Gesteinsmehl versetzte Dolomitenwasser, oder die benötigten Temperaturen waren zu niedrig für die klimatischen Bedingungen auf der Alpensüdseite, oder aber die Maschinen benötigten schlicht zu viel Energie. Also schlug er seinen Chefs vor, selbst Schnee-Erzeuger zu bauen, die besser wären als alles, was es bis dato gab und außerdem nur die Hälfte kosten würden. Sie ließen ihn machen. Er nutzte handelsübliche Bauteile und überredete seinen Vater, ihm seinen Heulüfter zur Verfügung zu stellen. Für die Wasserzerstäubung verwendete er Sprühdüsen aus der Landwirtschaft, versah sie aber mit einer Düsenheizung, damit sie im Betrieb bei Minusgraden nicht einfrören. Gemeinsam mit seinem Betriebsleiterkollegen Walter Rieder und dem Dorfschmied baute er die ersten fünf Maschinen zusammen und verkaufte sie 1984 an seinen Arbeitgeber.

Vom Garagenbetrieb zum Weltmarktführer

Statt der Alchimie bedienten sich diese der Physik, um das weiße Gold herzustellen. Das ist Eisath wichtig: „Der technisch erzeugte Schnee besteht nur aus Wasser und Druckluft, es gibt keine chemischen Zusätze.“ Es waren Propellermaschinen nach dem Vorbild des schon 1968 von der deutschen Firma Linde konstruierten Niederdruck-Schnee-Erzeugers. „Vor das größ­te Problem stellte uns die Turbine. Mit unseren Turbinen Marke Eigenbau er­reichten wir keine optimale Windströmung“, erinnert er sich. Dann fand er einen professionellen Propellerhersteller, der die Entwicklung einen großen Schritt voranbrachte. Schon bald meldeten Skigebiete in der Umgebung Interesse an den neuen Maschinen an, und Eisath beschloss 1985, sich gemeinsamen mit Walter Rieder selbständig zu machen. Firmensitz war eine Garage im Eggental. Es war ein ge­wagtes Unterfangen, wegen etlicher Wettbewerber und wegen des Problems der Vorfinanzierung. „Wir haben die Maschinen ja nur zusammengebaut, sämtliche Teile mussten wir einkaufen, bevor wir irgendwelches Geld von unseren Kunden bekamen.“ So blieb es zunächst bei geringen Stückzahlen von vierzig Maschinen pro Jahr.

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