Out of Trondheim: In Norwegen führt der „Goldene Umweg“ nach Inderøy

Liv Elin Olsen weiß, wovon sie spricht: „Auf dem ‚Goldenen Umweg‘ bist Du zwölf Minuten länger unterwegs als auf der Europastraße 6, oder eine Woche, ein Jahr oder ein ganzes Leben.“ Was sie meint: Je nach Zeitbegriff lässt es sich hier, auf ihrer Halbinsel, wohl ziemlich gut aushalten.

Die Bauersfrau kam einst der Liebe wegen aus Balsfjord in Nordnorwegen nach Inderøy, zwei Autostunden nördlich von Trondheim. Auf der Landwirtschaftsschule hatte sie ihren Mann Arve kennengelernt und war auf den Bauernhof Gulburet gezogen.

Olsen eröffnete auf dem Hof einen Tante-Emma-Laden. Die Bauern kauften hier Lebensmittel und Handwerkszeug. Neben dem Kramladen entstand im Laufe der Zeit eine Backstube, ein Café kam hinzu. Treffpunkt für die Leute aus der Nachbarschaft, die auf ein Schwätzchen nach dem Einkauf blieben.

Quelle: Infografik WELT

Inderøy ist hügeliges Farmland. Getreidefelder wechseln sich ab mit kleinen Waldstücken und Kuhweiden. Auf kurvigen Landstraßen kommen Reisende zum Binnensee Granavatnet, wo sich dunkle Fichten im glasklaren Wasser spiegeln. Und ganz schön appetitanregend kann das sein, wenn man sich auf den Umweg einlässt.

Boxenstopp auf dem Weg zum Nordkap

Neben der ruhigen Halbinsel, nur zwanzig Kilometer lang, verläuft die Europastraße E 6, die ganz Norwegen durchschneidet und von der Hauptstadt Oslo über rund 3000 Kilometer bis Kirkenes führt. Sie brettern auch die Touristen entlang, die mit dem Auto oder Wohnmobil zum Nordkap wollen.

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Und hier setzten die Gedanken im Rathaus von Straumen an, dem Hauptort der Halbinsel. Wie können wir diese Touristen von der E 6 weg nach Inderøy locken?

Inmitten leuchtender Kornfelder und umgeben von Wasser liegt Straumen, Hauptort der Halbinsel Inderøy

Blick auf Straumen, den Hauptort von Inderøy. Die leuchtenden Kornfelder waren die Inspiration für den Namen „Goldener Umweg“

Quelle: dpa-tmn

Ein schmissiger Name würde schon mal helfen. „1997 kamen die ersten Ideen für den ‚Goldenen Umweg‘ auf“, erinnert sich Olsen. In Arbeitsgruppen wurde diskutiert, in Workshops entstand der Gedanke von Hofläden, in denen die Touristen Brot, Wurst und Käse als Reiseproviant einkaufen konnten.

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‚Goldener Umweg‘ (norwegisch: Gyldne Omvei) klingt nach blendenden Schätzen, doch die Herleitung ist bodenständig: Die Getreidefelder auf der Halbinsel strahlen im Spätsommer golden in der Sonne. Und so gibt es seit gut 25 Jahren eine Route über die Landstraße 761, die von der E 6 nach Inderøy führt – und die ‚Goldener Umweg‘ heißt.

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Der Weg verspricht örtliche Kulinarik und Kultur. Käsereien, eine Näherei mit traditionellen Nord-Trøndelager Trachten, die Sakshauger Kirche aus dem 12. Jahrhundert, eine Eismanufaktur. Natürlich den Hof von Liv Elin Olsen. Ihre Spezialität: Kümmelbrot.

Elch-Eis und nordisches Kölsch

Wer aus Richtung Norden kommt und die E 6 bei Vist verlässt, erblickt nach wenigen Kilometern auf der Landstraße 761 im Ort Gangstad einen stattlichen Hof. Man sei hier die erste Bauernhofkäserei in Norwegen gewesen, erzählt Gründerin Astrid Aasen. „Heute gibt es über 150.“ Blau- und Weißschimmelkäse bekommt man hier, Käse mit Knoblauch, Kümmelnote und Kräutern aus den Gärten von Inderøy.

Darüber hinaus kreieren sie zehn Eissorten, neben Klassikern wie Vanille und Schoko gibt es auch ein Elch-Eis, in dem die Spitzen von Fichtennadeln verarbeitet sind. Das Eis aus Gangstad hat es in zahlreiche Feinkostenläden in Norwegen geschafft, auch auf den Postschiffen der Reederei Hurtigruten wird es als Dessert aufgetragen.

Astrid Aasen verfeinert ihre Käsesorten mit Kräutern aus den Gärten von Inderøy. Sie die Gründerin der Bauernhofkäserei in Gangstad

Astrid Aasen ist die Gründerin der Bauernhofkäserei in Gangstad. Ihre Sorten verfeinert sie mit Kräutern aus den Gärten von Inderøy

Quelle: dpa-tmn

Die Brüder Per und Steinar Morten sind Bauer und Brauer. Per versorgt die Milchkühe, Steinar hat in den 1990er-Jahren einen anderen Weg eingeschlagen: „Zwei Jahre lang habe ich experimentiert, mit einem dem Kölsch ähnlichen Gerstensaft hat alles angefangen. Wir nannten es nicht Kölsch, sondern Kvamsholmer nach einer winzigen Fjordinsel.“

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2007 hatte ihre Inderøy Gårdsbryggeri alle behördlichen Genehmigungen eingeholt und die Bauern-Brauer konnten durchstarten. Heute braut Steinar Morten 28 Biere – vom süffigen Leichten mit 3,7 Prozent bis zum Starkbier, das wegen der 10,2 Prozent Alkoholgehalt nur in den staatlichen Vinmonopolet-Geschäften verkauft werden darf.

Auch der Aquavit ist golden im Norden

Das gilt auch für das Wasser des Lebens, Wasser des Lebens – besser bekannt als Aquavit. Das wird etwa auf dem Hof Berg Gård von Svein Berfjord und seinem Sohn Vebjørn destilliert.

„Wir haben uns gefragt: Was machen wir nur mit dem Kümmel, der auf unseren Feldern wächst? Sauerkraut oder Aquavit?“ Die Antwort: Svein wurde zum Akevittbonde, zum Aquavit-Bauern.

Verkostungen auf dem Hof sind erlaubt –flaschenweise zu kaufen gibt es den Inderøy-Aquavit jedoch nur in staatlichen Vinmonopolet-Geschäften.

Zu kaufen gibt es den Inderøy-Aquavit nur in staatlichen Vinmonopolet-Geschäften – aber Verkostungen auf dem Hof sind erlaubt

Quelle: dpa-tmn

Aquavit Nr. 1 mit 42 Prozent Alkoholgehalt heißt der Selbstgebrannte, der im Frühjahr 2016 erstmals verkauft werden konnte. Neun Monate lang in Sherry Fässern gereift, versetzt mit den Geschmacksnoten von Anis und Kümmel. Jede Flasche wurde im ersten Jahr von Svein und seiner Familie nummeriert – einzeln und handschriftlich, 5000 Flaschen in wenigen Monaten.

Sieben Jahre später ist das kaum mehr möglich, denn die Inderøy Brenneri produziert jährlich um die 30.000 Flaschen: 22 verschiedene Aquavitsorten werden destilliert, mit Kräutern, mit Löwenzahn oder jungen Tannennadeln, mit Vogel- und Himbeeren oder Mädesüß.

Kleine Schlucke erlaubt der Staat

Der Bestseller? „Natürlich unser 38-prozentiger Gyldne Aquavit“, sagt Svein. Der goldene Aquavit also. „Wir haben ihn so benannt, weil alle zugefügten Kräuter links und rechts des ‚Goldenen Umwegs‘ wachsen.“

Wer den Aquavit im Hofladen sucht, schaut aber vergeblich: Auch ihn gibt es nur im Vinmonopolet-Geschäft zu kaufen. Dafür bekommt man im Hofladen Marmelade mit Aquavit-Geschmack.

Spektakuläres Straßenbauwerk in der westnorwegischen Provinz Møre og Romsdal: die Storseisund-Brücke auf der Reichsstraße 64.

Von der E 6 abzubiegen, lohnt in Norwegen nicht nur, um zur Inderøy-Halbinsel zu gelangen. Auch die Atlantikküste an der Storseisund-Brücke ist einen Abstecher wert

Quelle: Getty Images/500px/Benjamin gs

Wöchentlich finden hier auch Tastings statt. Bei Kerzenschein, stimmungsvoll im Fasslager der Brennerei: Kleine Probierschlucke – vom Staat erlaubt – der verschiedenen Varianten des Lebenswassers.

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Bei Milchbauer Per Magnus sind früh zunächst die Kühe im Stall an der Reihe, dann erst machen er und seine Frau Lisa das Frühstück für die Gäste im „Gårdshotell Husfrua“ (deutsch: „Hofhotel Hausfrau“) nahe Straumen.

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Wie eine Puppenstube schauen die Zimmer in dem Holzhaus aus. Es stammt aus dem Jahr 1866 – wie so manches Mobiliar und Dekor in den Wohn- und Schlafräumen. Hier kann unterkommen, wer ein Inderøy radelnd auf den kaum befahrenen Landstraßen umrundet oder auf dem knapp 20 Kilometer langen Kulturweg Kultursti entlang der Küste wandert.

Eine – auch augenscheinlich – andere Adresse in der Nähe ist das „Øyna Kulturlandskapshotell“. Kristine Daling Sakshaug und ihr Mann Frode haben Millionen in ihre Herberge investiert: 16 Doppelzimmer in einem Komplex aus modularen bewohnbaren Holzklötzen mit begrünten Dächern, der mit einem Hügel oberhalb des Wassers eins zu werden scheint. Seit 2020 kann man hier nächtigen, mit Ausblick auf den Trondheimfjord.

Gelegen auf einem Hügel oberhalb des Trondheimfjords: das „Oyna Kulturlandskapshotell“ auf Inderøy mit seinen begrünten Dächern.

Architektur und Natur sollen verschmelzen: das „Oyna Kulturlandskapshotell“ auf Inderøy mit seinen begrünten Dächern

Quelle: dpa-tmn

Die typische norwegische Landschaft lässt sich aber auch überall anderenorts als Reisender auf dem „Goldenen Umweg“ genießen. Vielleicht kein ganzes Leben, aber zumindest für ein paar schöne Tage.

Tipps und Informationen:

Reiseziel: Der ‚Goldene Umweg‘ („Den Gyldne Onvei“) führt in der Provinz Trøndelag an den Orten Røra und Vist von der E 6 auf die Halbinsel Inderøy zu Hofläden, Bauernhofcafés, Kunstgalerien und Käsereien. Die Region mit Trondheim als größter Stadt zählt zu Mittelnorwegen. Nach Oslo sind es gut acht Autostunden.

Anreise: Mit der Dovrebanen ab Oslo direkt bis Trondheim, Zug-Fahrtzeit etwa sieben Stunden. Von Trondheim weiter mit der Nordlandsbanen bis Steinkjer, weiter im Leihwagen nach Inderøy. Der nächste Flughafen ist Trondheim-Værnes (TRD).

Reisezeit: Mai bis Oktober, die Hofläden sind ganzjährig geöffnet.

Unterkünfte: Landhotels, Ferienhäuser- und Wohnungen, Hütten und Campingplätze in unterschiedlichen Preislagen stehen zur Wahl. Eine Übernachtung in einem Doppelzimmer des „Øyna Kulturlandskapshotell“ kostet ab umgerechnet 250 Euro; günstiger wird es mit rund 130 Euro im „Gårdshotell Husfrua“.

Weiterführende Informationen: unter Visit Norway oder beim Netzwerks des „Goldenen Umwegs“

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