Neuer Entwurf lagert umstrittene Themen aus

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Berlin – In den Verhandlungen zu einem globalen Pandemievertrag geht es etwas voran. Bei einer weiteren Verhandlungsrunde, die kommende Woche Montag startet und bis zum 10. Mai andauern soll, wollen die Mit­glied­staaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über einen aktuellen Entwurf des Abkommens beraten.

Das 23-seitige Papier ist Mitte April veröffentlicht worden. Im neuen Entwurf werden zwei strittige Bereiche – der Patentschutz und One Health-Ansatz – zunächst ausgelagert.

Seit Ende 2021 verhandeln die 194 WHO-Mitgliedstaaten über eine solche Vereinbarung. Ziel ist eine ver­besserte globale Gesundheitsarchitektur im Bereich Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion. Vor allem Lehren aus der COVID-19-Pandemie sollen gezogen werden, um sich weltweit für künftige Pandemien besser zu rüsten.

Es gebe immer noch Divergenzen zu Technologietransfer, Ausgestaltung des Zugangs zu medizinischen Pro­dukten, einem Vorteilsmechanismus und der Finanzierung, erklärte die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium (BMG), Sabine Dittmar (SPD), gestern im Unterausschuss Globale Gesundheit des Gesundheitsausschusses im Bundestag.

Der aktuelle Entwurf fokussiere sich auf die Bereiche, in denen Konsens erreicht werden könnte, so Dittmar. Anfang Mai solle eine entsprechende Resolution eines Pandemieabkommens erstellt werden, die der Weltgesundheitsversammlung (WHA) zur Abstimmung vorgelegt werden soll, erklärte sie. Die WHA findet vom 27. Mai bis 1. Juni in Genf statt.

Wenn die Versammlung die Resolution verabschiede, dann müssten die Mitgliedsstaaten dieses Abkommen jeweils ratifizieren. „Es bleibt abzuwarten, ob der Vertrag im Mai zum Abschluss gebracht werden kann“, so Dittmar. Die Prozesse seien hochkomplex, dies erschwere die Verhandlungen. Zudem gebe es Fortschritte bei der geplanten Änderung der internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV). Auch über diese soll die WHA abstimmen.

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Deutschland werde sich für die erfolgreiche Abstimmung beider Vorhaben tatkräftig einsetzen, betonte Ditt­mar. Ein Vertreter aus dem Auswärtigen Amt zeigte sich hingegen nicht so optimistisch und erklärte, es sei absehbar, dass der Pandemievertrag nicht bis Mai stehen werde. Dafür sei das System technisch zu schwierig, sagte er vor dem Ausschuss.

Bis 2026 soll Patentschutz weiter diskutiert werden

Neu im aktuellen Entwurf des Pandemievertrags ist die geplante Auslagerung zweier Bereiche. In einem Folgeprozess soll der bislang umstrittene Bereich des Patentschutzes bis Ende Mai 2026 geklärt werden.

Entsprechend sollen die Ausgestaltung des geplanten WHO-Systems für den Zugang zu Krankheitserregern sowie einen Vorteilsausgleich (WHO Pathogen Access and Benefit-Sharing System, PABS-System) in einer Arbeitsgruppe in den kommenden zwei Jahren definiert werden.

Das von der WHO koordinierte System soll eine schnelle Weitergabe von Informationen und Material ermögli­chen sowie den gerechten Zugang zu pandemiebezogenen medizinischen Produkten sicherstellen.

Im Falle einer Pandemie ist ein zügiger Zugang der WHO zu 20 Prozent der Produktion pandemiebezogener Gesund­heitsprodukte vorgesehen. Zehn Prozent sollen dem Entwurf zufolge als Spende und weitere zehn Pro­zent zu erschwinglichen Preisen der WHO zur Verfügung gestellt werden. Denkbar ist, dass die Mitgliedstaa­ten den Herstellern die Produkte abkaufen und nach den Bestimmungen des Vertrags der WHO zur Verfügung stellen.

Das Instrument basiere auf dem Prinzip der gleichberechtigten Teilhabe, soll Forschung und Innovation för­dern und Biosicherheits- und Datenschutzstandards berücksichtigen, heißt es weiter. Es soll hingegen nicht die geistigen Eigentumsrechte zu medizinischen Produkten berühren. Dies war einer der größten Streitpunkte im Verlauf der Verhandlungen.

Der globale Süden drängte auf die Aufweichung der Eigentumsrechte, um Wissen schneller transferieren zu können und damit einen flächendeckenden und zeitnahen Einsatz von pandemiebedingten Produkten wie Impfstoffen oder Medikamenten zu haben. Vertreter des globalen Nordens hingegen, darunter auch Bundes­ge­sundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), hatten immer wieder betont, dass die Eigentumsrechte von Herstellern gewahrt werden müssten.

Chancen für erfolgreiche Abstimmung gestiegen

Der zweite Bereich, der in einer Arbeitsgruppe weiter erarbeitet werden soll, ist der One Health-Ansatz. Dafür soll ebenfalls bis Ende Mai 2026 Zeit eingeräumt werden. Der Ansatz soll die Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion so fördern, dass die Zusammenhänge zwischen Menschen, Tieren und der Umwelt anerkannt und entsprechend berücksichtigt werden.

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Insbesondere weil diese kontroversen Themen nicht mehr Teil des aktuellen Entwurfs sind, seien die Chancen für einen Abschluss des Pandemievertrags gestiegen, sagte Anja Maria Rittner von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) gestern vor dem Ausschuss.

Der Text sei kürzer, realistischer und ausgewogener im Vergleich zu vorherigen Entwürfen. Zudem beinhalte der Vertragsentwurf keine vorgesehene Schaffung zusätzlicher Finanzierungstöpfe, sondern sehe lediglich einen Koordinierungsmechanismus vor, der bestehende Ressourcen besser einsetzen soll. „Jetzt ist Verhand­lung mit Fingerspitzengefühl gefragt“, so Rittner.

Für Melissa Scharwey von Ärzte ohne Grenzen (MSF) geht der vorliegende Entwurf jedoch nicht weit genug. Bei Krankheitsausbrüchen weltweit mangele es oft an Diagnostik, Medikamenten oder anderen medizinischen Produkten, berichtet sie. Beispielsweise bei Diphterie-Ausbrüchen fehlte es häufig an Diphterie-Antitoxinen, bei Cholera-Erkrankungen gebe es zu wenig Impfstoffe.

„Beide Produkte existieren, nur werden sie nicht ausreichend produziert“, bemängelte Scharwey. Deshalb sei der gerechte Zugang zu medizinischen Produkten zentrales Thema für Ärzte ohne Grenzen. Die Pandemie habe aufgedeckt, wie ungleich dieser Zugang sei. Deshalb drängte sie auf ein effektives Pandemieabkommen.

Mehr Verbindlichkeit gefordert

„Im aktuellen Entwurf mangelt es an konkreten verpflichtenden Bestimmungen, die Zugang zu medizinischen Produkten für alle Menschen sicherstellen“, kritisierte sie. Der Text beruhe zu sehr auf Freiwilligkeit der Staa­ten und Hersteller. Stattdessen bräuchte es verbindlichere Formulierungen der Vorhaben.

Sie forderte einen verbindlichen Technologie- und Wissenstransfer, das Teilen von geistigem Eigentum und eine verbindliche Bestimmung, die öffentliche Forschungsförderung an Bedingungen zu einem gerechten Zu­gang zu knüpfen. Zudem fehle Scharwey zufolge die ausdrückliche Formulierung, dass das Gesundheits­perso­nal einen vorrangigen Zugang zu medizinischen Produkten erhalte.

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Für mehr Transparenz bei der öffentlichen Finanzierung und Entwicklung von pandemiebezogenen Produkten sprach sich auch Pedro Villarreal von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) aus. Das Abkommen biete Gelegenheit für entsprechende Klauseln. „Das könnte Klarheit schaffen, wie viele öffentliche Mittel investiert werden und welche Bedingungen gelten“, so Villarreal. © cmk/aerzteblatt.de

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