Länderspiel gegen die Ukraine: Fußball mit politischer Dimension

Wenn man durch Tor 12 ins Weserstadion in Bremen kommt und sich danach an der Außenseite fürs Treppenlaufen entscheidet, kann man plötzlich in das kleine Freibad daneben schauen – und ein Mini-Fußballfeld entdecken. Dort kickten am frühen Montagabend, an dem sich im Stadion schon die Spieler aus Deutschland und der Ukraine für das 1000. Länderspiel des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sammelten, mehrere Jungs. Und wenn man sich für einen Moment ansah, wie sie miteinander spielten, und für einen Moment anhörte, wie sie miteinander sprachen, durfte man später feststellen: Für die Fehlpässe, die er dann im Stadion spielte, wäre Julian Brandt auf dem Freibadfeld wahrscheinlich angemotzt worden.

Es war aus sportlicher Sicht sehr schmeichelhaft für die deutsche Mannschaft, dass diese Freibadleistung im Weserstadion wegen Toren in der 83. und 90. Minute immerhin für ein 3:3 reichte. Und doch sollte man sich an dieser Stelle mit einer Frage auseinandersetzen, die man sich als Beobachter in Bremen stellen musste: Wie wichtig sollte die sportliche Sicht an so einem Abend eigentlich sein?

Es war klar, dass es nicht nur um Sport würde gehen können, als der DFB für sein 1000. Länderspiel die Mannschaft aus der Ukraine eingeladen hatte. Wo sie spielt, kann es nämlich nie mehr nur um Sport gehen, seit die russische Armee in die Ukraine einmarschiert ist und einen Krieg angefangen hat. Das sah man dann auch in Bremen. Durch die blau-gelben Flaggen. Durch die politischen Plakate („Danke, jetzt habe ich Leopard“, stand auf dem Auffälligsten – eine Anspielung an den Kampfpanzertypen, den Deutschland der Ukraine liefert). Durch Bundespräsident Frank Walter-Steinmeier, der sich das Spiel mit dem ukrainischen Botschafter Oleksij Makejew ansah. Durch die geflüchteten ukrainischen Kinder, die im Stadion saßen. Und durch all anderen kleineren und größeren Aktionen.

Wie wichtig ist Fußball? Bundespräsident Frank Walter-Steinmeier sah sich das Spiel mit dem ukrainischen Botschafter Oleksij Makejew an


Wie wichtig ist Fußball? Bundespräsident Frank Walter-Steinmeier sah sich das Spiel mit dem ukrainischen Botschafter Oleksij Makejew an
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Bild: dpa

Wie wichtig sollte die sportliche Sicht also sein?

Am Montagabend konnte man sich an Serhij Rebrow orientieren, dem Trainer der Ukraine. „Ich danke dem DFB“, sagte er in seiner Pressekonferenz – setzte sich in den nächsten Minuten dann vor allem mit der sportlichen Sicht dieses Spiels auseinander.

Also zurück zum Sport, zurück zu Julian Brandt und den Freibadpässen.

Es stand 1:0 für Deutschland – in der sechsten Minute hatte Marius Wolf passenderweise den Bremer Mittelstürmer Niclas Füllkrug angeschossen, der den Ball ins Tor lenkte –, als Brandt den Ball mindestens einen Meter an Joshua Kimmich vorbeipasste (18.). Die Ukrainer starteten den Konter. Und weil die Mitglieder der neuen deutschen Dreierkette – Nico Schlotterbeck, Matthias Ginter, Antonio Rüdiger – sich so leicht ausspielen ließen, stand es plötzlich 1:1. Es war das Tor, das mehr als alle anderen für das Defizit stand, dass die deutsche Nationalmannschaft hat: Sie kann sich keine Fehler leisten, weil ihr Spielsystem nicht stabil genug zu sein scheint, um Fehler auffangen zu können.

Trainer Hansi Flick: „Das war, was die Defensivleistung betrifft, einfach nicht gut genug“


Trainer Hansi Flick: „Das war, was die Defensivleistung betrifft, einfach nicht gut genug“
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Bild: AP

„Das war, was die Defensivleistung betrifft, einfach nicht gut genug“, sagte der Bundestrainer Hansi Flick später – und man kann es als kleine Niederlage bewerten, dass er gegen Ende seines ersten Spiels, in dem er die Dreierkette testen wollte, schon wieder auf eine Viererkette umstellte. Da stand es aber schon 1:3, weil erst David Raum den Ball verlor (23., Eigentor Rüdiger) und dann nochmal Brandt ohne Not halbhoch in den Strafraum zurückpasste, wo Matthias Ginter den Ball nicht kontrollieren konnte (56., Tor Viktor Tsygankov, der schon das 1:0 schoss). Da hatte das Publikum schon längst das erste Mal gepfiffen.

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