Kirschblüte droht Opfer einer Wetterlaune zu werden

ICHn den vergangenen Jahren hat sich der April häufig schon nach Frühsommer angefühlt. Er war sonniger, trockener und vor allem wärmer als früher, in manchen Jahren konnte man morgens fast Ski fahren und nachmittags im Freibad in der Sonne liegen. Jetzt scheint der April seine Identität wieder gefunden zu haben und verhält sich, wie er es immer tat: Er macht, was er will. Und ich weiß nicht so recht, ob ich das gut finden soll. Der April ist launisch, unberechenbar, immer für eine Überraschung gut. Doch langsam reicht es mir mal mit dem Regen.

Andreas Frey

Freier Autor in der Wissenschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Gewöhnlich lässt sich der Fortschritt des Frühlings in meiner Straße an den Zierkirschen ablesen, die sich in den vergangenen zwanzig Jahren häufiger schon Ende März in Zartrosa präsentierten. In diesem Jahr waren die Blüten noch an Ostern geschlossen, jetzt stehen sie plötzlich in Vollblüte – und werden von dicken Regentropfen oder Graupelgeschossen zu Mus verwandelt.

In Japan hingegen hat sich der Trend zum frühreifen Frühling fortgesetzt, Ende März meldete die Millionenstadt Sendai die eheste Vollblüte, die jemals registriert wurde – fast zwei Wochen vor dem langjährigen Schnitt. Das ist eine wichtige Nachricht, weil das Land über die weltweit längste Zeitreihe der Zierkirsche Prunus serrulata verfügt, festgehalten in den Archiven des kaiserlichen Hofs. Seit dem Jahr 801 wird über die jährliche Kirschblüte, Sakura, penibel Buch geführt.


Bild: Charlotte Wagner

Gewöhnlich sind die Blüten entweder weiß oder rosa, doch ein zweifarbiger Kirschbaum ist mir kürzlich ins Auge gesprungen. Wie das sein kann, wollte meine Tochter wissen. Und ich scheiterte schon bei dem Versuch, ihr zu erklären, was Züchtung bedeutet. Hier ein neuer Versuch: Kirschbäume mit rosa und weißen Blüten entstehen durch Züchtung, der Gärtner erzeugt eine neue Sorte, indem er zwei Pflanzenteile miteinander kreuzt. Dabei setzt er einen mindestens einjährigen Trieb, einen sogenannten Edelreis, auf eine wilde Unterlage. Fertig wäre die Edelsorte mit einfarbigen, pinken Blüten. Da bei Kirschbäumen allerdings die Unterlage gerne mal austreibt, kann irgendwann ein neuer Trieb aus dem Wildling wachsen, der eine weiße Blütenfarbe hat. Dadurch kommt es zu dem ungewöhnlichen dualen Farbenspiel in diesen Apriltagen.

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