Eine Spionageaffäre erschüttert Österreich am Vorabend der Wahlen

► Wer ist Egisto Ott, der der Spionage für Russland verdächtigt wird?

Der ehemalige Mitarbeiter der Direktion für nationale Sicherheit und Nachrichtendienste des österreichischen Sicherheitsdienstes, Egisto Ott, 61, wurde am 29. März in Österreich festgenommen. Die seitdem aufeinanderfolgenden Enthüllungen zeigen das Ausmaß der russischen Durchdringung. Laut dem 86-seitigen Haftbefehl, der der österreichischen Presse zugespielt wurde, kooperierte Egisto Ott seit 2017 mit Russland, dem er gegen Bezahlung sensible Informationen zur Verfügung gestellt haben soll.

Insbesondere soll er den Inhalt der Mobiltelefone mehrerer Minister weitergegeben haben, außerdem die Adresse eines investigativen Journalisten, Christo Grozev, eines Mitglieds des Bellingcat-Kollektivs, der zahlreiche peinliche Ermittlungen für die russische Regierung durchgeführt hat. Egisto Ott soll Russland auch dabei geholfen haben, ein Gerät zu erhalten, das von europäischen Regierungen zur Übermittlung verschlüsselter Informationen verwendet wird.

Er stand in Kontakt mit einem anderen österreichischen Staatsbürger, der offenbar der Chef eines russischen Spionagenetzwerks war: Jan Marsalek. Letzterer war Betriebsleiter des deutschen Zahlungsdienstleisters Wirecard, der nach einem Betrug mit mehreren Milliarden Schulden in die Insolvenz ging. Jan Marsalek ist verschwunden und soll sich nun unter einer falschen Identität in Moskau aufhalten, geschützt von russischen Geheimdiensten. Noch peinlicher war, dass Egisto Ott bereits der Spionage für Russland verdächtigt wurde, aber ohne Strafverfolgung auf freiem Fuß blieb.

► Warum wird diese Affäre in Österreich besonders diskutiert?

Der konservative Bundeskanzler Karl Nehammer berief am Dienstag, dem 9. April, einen Nationalen Sicherheitsrat ein, weil er dies für notwendig hielt „Verhindern, dass russische Spionagenetzwerke unser Land bedrohen, indem sie politische Parteien oder Netzwerke infiltrieren oder ausnutzen.“

Österreich wird erneut als schwaches Glied der europäischen Sicherheit herausgestellt. Als Mitgliedsland der Europäischen Union blieb es außerhalb des Atlantischen Bündnisses. Wien ist Sitz der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA), der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), die für Geheimdienste auf der ganzen Welt von Interesse sind. Die 2-Millionen-Einwohner-Stadt verfügt über 17.000 akkreditierte Diplomaten.

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Vor allem der Übergang an die Regierung der Freiheitlichen Partei (FPÖ, ganz rechts) zwischen 2017 und 2019 war von einer deutlichen Annäherung an Russland geprägt. Damals lud Außenministerin und FPÖ-Mitglied Karin Kneissl Wladimir Putin zu ihrer Hochzeit ein und tanzte mit ihm.

Heute gibt Bundeskanzler Karl Nehammer der extremen Rechten die Schuld. Er wirft ihm vor, russische Einflussoperationen und Spionage erleichtert zu haben. Die Affäre hat eine besonders große Resonanz, da in Österreich im Juni Europawahlen und noch vor Ende September Parlamentswahlen anstehen und die FPÖ in den Umfragen an der Spitze liegt.

► Wie wird die österreichische Regierung reagieren?

Die Regierung will die Strafen gegen Personen verschärfen, denen Spionage vorgeworfen wird. Justizministerin Alma Zadic will das Gesetz verschärfen. Sie bedauert „Lücken“ der das Land entstehen ließ „Ein Paradies für Spione aus aller Welt“. Österreich profitiert derzeit von einem besonders freizügigen Gesetz: Spionage gilt nicht als verwerflich, solange sie nicht direkt gegen Österreich gerichtet ist.

Die derzeit von einer Koalition aus Konservativen und Grünen geführte Regierung möchte dieser Anomalie ein Ende setzen und dafür sorgen, dass Spionageaktivitäten geahndet werden „unabhängig von der Person oder Institution, die ins Visier genommen wird“.

Das Direktorat für nationale Sicherheit und Geheimdienste stellte dies in seinem jüngsten Bericht fest „Sehr begrenzte rechtliche Möglichkeiten zur Spionagebekämpfung führen zu einer extrem hohen Präsenz ausländischer Geheimdienste im Land“. Ihm zufolge könnten in Wien bis zu 7.000 Angehörige ausländischer Geheimdienste ansässig sein.

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