Die NATO übt in der Altmark den Häuserkampf

ICHn der Altmark ist der Frühling eingetroffen, die Bauern aus der Gegend bei Magdeburg fahren mit schweren Traktoren hinaus auf die Felder. Gleich nebenan wird die Landschaft auf ganz andere Weise durchpflügt. Denn der April bringt neue Truppen auf den gewaltigen Übungsplatz Letzlinger Heide. 30 Kilometer ist das Übungsgelände lang, bis zu zwölf Kilometer breit, voller Sensoren und Auswertungstechnik. Mit dem Retortenstädtchen Schnöggersburg gibt es im Gefechtsübungszentrum eine europaweit einzigartige Szenerie für den Häuserkampf, 500 Gebäude, voll digitalisiert.

Es gibt Wohnhäuser, Kirchen und den „Regierungssitz“, eine rudimentäre Universität und sogar eine U-Bahn – also jedenfalls ein paar Meter lange unterirdische Röhren. Hinter der Kreuzung „Teufelsberg“ und „Altstadtring“ geht es zum Bahnhof und zu einer losen Ansammlung alter Container – dem „Elendsviertel“. An einem der Betonhäuschen prangt das Schild „Annabel’s Golden Rings“, ein anderes beherbergt eine Taxizentrale. Der „Bischofssitz“ ist ein Gebäude, das man möglichst nicht beschießen sollte. Das Besondere: Jede Bewegung, jeder Schuss dort wird gefilmt und erfasst und kann später ausgewertet werden. „Wir machen das Gefechtsfeld gläsern“, sagt Oberst Heiko Diehl, er ist hier der Chef.

„Stronger together“: Deutsche, tschechische und norwegische Soldaten üben auf dem Truppenübungsplatz bei Gardelegen am 8. April


„Stronger together“: Deutsche, tschechische und norwegische Soldaten üben auf dem Truppenübungsplatz bei Gardelegen am 8. April
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Bild: Daniel Pilar

Gemeinsam mit norwegischen und tschechischen Soldaten sind Einheiten der Panzergrenadierbrigade 37 „Freistaat Sachsen“ in der Gegend, einer der am besten trainierten Kampfverbände der Bundeswehr. Zusammen mit ihren Partnern, darunter dem norwegischen Telemark-Bataillon und einem Kampfbataillon aus der Tschechischen Republik, stellt die Brigade einen kriegstauglichen Verband, der im Falle eines Konflikts besonders rasch zur Stelle und schnell im Gefecht sein kann. Die Very High Readiness Joint Task Force ist das Beste, was die NATO in kürzester Zeit zur Bündnisverteidigung aufbietet, die Bundeswehr-Grenadiere hatten im vergangenen Jahr die Führung dieser Speerspitze inne.

Mit mehr als 90.000 Soldaten und 6000 Fahrzeugen übt das westliche Verteidigungsbündnis derzeit an vielen Orten Europas vom hohen Norden Norwegens bis in die rumänische Schwarzmeerregion die Abwehr eines groß angelegten Angriffs. Der kommt nach Lage der Dinge aus Russland. Dieser Tage verlassen Transportschiffe Amerikas Küsten, die europäischen Landungshäfen, etwa Antwerpen oder Emden, bereiten sich auf die Ankunft Tausender Fahrzeuge vor: Vom Panzer bis zum wendigen Jeep ist alles dabei. Tausende Truppen werden über den Atlantik geflogen.

Riskante Übungen auf dem Programm

Drehkreuz der Übung „Steadfast Defender“ ist Deutschland, wo wiederum die Bundeswehr das größte Manöver seit Langem abhält: „Quadriga 2024“. Daran beteiligen sich in der Altmark Brigadegeneral Alexander Krone und die ihm unterstellten Verbände. Seit rund zwei Jahren sind seine etwa 5000 Soldaten in ständiger Bewegung. Für die 3000 Deutschen und ihre multinationalen Kameraden war es ein längerer Weg ständigen Übens und Verbesserns, harter Prüfungen und steter Bereitschaft, innerhalb weniger Tage an jedweden Ort verlegt zu werden. Krone, ein drahtiger Offizier im Kampfanzug, führt seine Brigade seit Ende 2020. Er hat es offenbar gut gemacht, denn als Nächstes soll der erfahrene Panzergrenadier nun das Kommando Spezialkräfte (KSK) übernehmen, eine besondere Herausforderung.

Ein Soldat steht an einer Kreuzung in der Übungsstadt Schnöggersburg


Ein Soldat steht an einer Kreuzung in der Übungsstadt Schnöggersburg
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Bild: Daniel Pilar

Im Gefechtsübungszentrum stehen dieser Tage riskante Übungen auf dem Programm: Zunächst haben größere Teile des Verbands ein Gewässer überquert, und zwar mit Hilfe der deutsch-britischen „Mindener Pioniere“, die über ein ziemlich spektakuläres Schwimmbrückensystem verfügen, ein Ungetüm namens Amphibie M3. Es verwandelt sich in wenigen Minuten von einem Lastwagen in ein Boot mit Brückenelementen, die zusammengefügt selbst Panzern den Übergang über ein Gewässer wie die Elbe ermöglichen. Und so schnell, wie sie kommen, sind die Mindener Brücken auch wieder eingepackt und gut versteckt. Ein besonderer Vorteil in Zeiten, wo Aufklärungs- und Kampfdrohnen das Gefechtsfeld stark verändert haben.

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