Elefanten sind die sanften Riesen im Tierreich. Sie gelten als schlau, sozial, ihre Jungtiere zeigen sich häufig verspielt. Dieses Gemüt kann auf Selbstdomestikation zurückgeführt werden – das glauben zumindest Forscher um Limor Raviv des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik in Nijmegen.
Unter domestizierten Tieren verstehen Laien gemeinhin Tiere, die der Mensch zum Haustier gemacht hat – Schafe oder Schweine beispielsweise. Sie haben im Laufe der Evolution also Verhaltensweisen entwickelt, die sie natürlicherweise nicht haben, und die sie sanfter und fügsamer gegen ihre Artgenossen, aber auch in Bezug auf Menschen werden lässt.
Auf der anderen Seite gibt es das Phänomen der Selbstdomestikation, dass also eine Art kooperativer und sozialer geworden ist, ohne dass ein Domestikator von außen darauf hingewirkt hat. Bisher ist das nur bei Menschen und ihren nahen Verwandten, den Bonobos, bekannt. Doch auch bei Elefanten soll es zu einer solchen Selbstdomestikation gekommen sein – und zwar bereits zu einer Zeit, als die Elefanten sich in der Evolution noch nicht von den Mammuts abgespalten haben.
Die Wissenschaftler begründen ihre Annahme damit, dass sie verschiedene, für eine Domestikation charakteristische Merkmale bei Elefanten gefunden haben. Beispielsweise reagieren alle drei heute lebenden Elefantenarten sehr sensibel auf Stress. Außerdem ist ihre Jugendphase verlängert, was ihnen eine Chance zum Lernen und Spielen bietet. Sie erfahren so, mit ihrem Rüssel umzugehen ist oder wie sie richtig kämpfen. Ein weiteres Merkmal für Domestikation ist auch die bei Elefanten ausgeprägte, komplizierte Kommunikation: Sie besteht aus Lauten, aber auch aus visuellen, taktilen und chemischen Signalen. Hinzu kommt das stimmliche Lernen, die Fähigkeit Laute und künstliche Geräusche zu imitieren.
Am deutlichsten zeigen sich die Folgen von Domestikation in ihrer reduzierten Aggression und ihrem prosozialen Verhalten. In Elefantenherden ist geteilte Elternschaft keine Seltenheit. Stirbt oder erkrankt ein Mitglied der Herde, zeigen die anderen Elefanten kooperatives Verhalten und helfen sich gegenseitig.
All diese Merkmale haben Elefanten aber völlig unabhängig von einem Domestikator wie etwa dem Menschen entwickelt. Deshalb gehen die Forscher davon aus, dass die Tiere sich selbst domestiziert haben. Für die Ursprünge dieses Prozesses stellen die Wissenschaftler drei Theorien im Fachjournal „PNAS“ vor.
Theorie eins: Es könnte ihnen zu gut gegangen sein. Ein ausreichendes Nahrungsangebot und die geringe Anzahl an natürlichen Feinden ermöglichte es den Tieren, in einem sicheren Umfeld aufzuwachsen. Dort konnten sie entdecken, kommunizieren und spielen, Kernmerkmale der Selbstdomestikation.
Theorie zwei: Es ging ihnen schlecht. Harsche Umweltbedingungen könnten vor vielen Millionen Jahren dazu geführt haben, dass sich Herden spalten und wieder zusammenfinden, um dann zu kooperieren und gemeinsam die Jungtiere aufzuziehen. Ein derartiger Prozess wird bei Menschen vermutet. Bei uns führte Hunger zu Toleranz und zur Notwendigkeit zum Teilen. Das erleichterte das Überleben.
Die dritte Theorie geht davon aus, dass Elefanten die Prosozialität und Kooperationsfähigkeit während des Entdeckens von neuen Territorien und dem Gründen neuer Populationen erlernt haben. Dieser Gründereffekt tritt vereinzelt sogar heute noch bei asiatischen Elefanten auf. Männchen sammelten sich für längere Zeit in Verbänden, um von der Landwirtschaft der Menschen zu profitieren. Dafür mussten sie in einer risikoreichen Umgebung kooperieren.