Bund und Länder ringen um Konsens, Zeitplan…

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD, 2.v.l), Hamburgs Gesubdheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (links) und die gesundheitspolitischen Sprecher der Ampelfraktionen im Bundestag (Heike Baehrens (SPD), Janosch Dahmen (Grüne), Andrew Ullmann (FDP, rechts). /picture alliance, Hannes P. Albert

Berlin – Bund und Länder sind in der Diskussion um die Krankenhausreform nach einigen Monaten an den Ver­handlungstisch zurückgekehrt. Das heutige Bund-Länder-Treffen sei konstruktiv verlaufen, betonte Bundesge­sundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Es gebe aber noch Gesprächsbedarf.

Die Länder forderten etwa eine stärkere Entbürokratisierung der Reform sowie eine deutlichere Öffnung der Sektorengrenzen, sodass in den Krankenhäusern künftig mehr ambulante Leistungen erbracht werden könnten.

Diese Vorschläge werde der Bund „wohlwollend prüfen“, so Lauterbach. Es gebe aber auch Dissens, der nicht so leicht aus dem Weg geschafft werden könne. Den Ländern seien etwa die Qualitätskriterien der geplanten Leistungsgruppen zu streng und pochten auf mehr Ausnahmemöglichkeiten.

Bis zum 30. April wollen die Bundesländer eine gemeinsame Stellungnahme zur Krankenhausreform erarbeiten. Erst danach kann das Bundeskabinett das Gesetz beschließen, so dass es in das parlamentarische Verfahren übergeht. Der ursprüngliche Plan, dies am 24. April zu tun, sei nicht mehr zu halten.

Das Gesetz soll am 8. Mai vom Bundeskabinett verabschiedet werden, kündigte Lauterbach heute an. Eine erste Lesung im Bundestag soll noch vor der Sommerpause erfolgen. Die gesundheitspolitischen Sprecher der Ampel­koalition, Heike Baehrens (SPD), Janosch Dahmen (Grüne) und Andrew Ullmann (FDP), äußerten sich zuversichtlich, dass es zu zügigen Beratungen für die Reform im Bundestag kommt.

„Das Gesetz ist noch nicht so gestaltet, dass es den Praxischeck bestehen würde“, bemängelte Melanie Schlotz­hauer (SPD), Gesundheitssenatorin aus Hamburg. Sie pochte deshalb erneut auf eine Auswirkungsanalyse bis spätestens Ende des Jahres, die nicht nur den Bedarf, sondern auch finanzielle Auswirkungen der Reform auf die Kliniklandschaft aufzeigen solle.

Lauterbach erklärte, dass diese Analyse kommen werde. Bislang habe es diese Analyse aufgrund des fehlenden Groupers, der für die Neuberechnung der Leistungsgruppen in Verbindung mit dem System der diagnosebezo­genen Fallpauschalen (DRG) benötigt werde, noch nicht geben können.

Länder wollen Details zur Reform früher sehen

Zudem verlangte Schlotzhauer ein früheres Inkrafttreten der geplanten Rechtsverordnungen zur Weiterentwick­lung der Leistungsgruppen sowie zum geplanten Transformationsfonds. „Wir müssen genau wissen, was wir unseren Patientinnen und Patienten in veränderter Form bieten können“, sagte sie.

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Geplant war, dass diese erst deutlich nach Inkrafttreten des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) kommen sollten. Lauterbach entgegnete, es werde geprüft, ob die Verordnungen nicht gemeinsam oder kurz nach dem KHVVG in Kraft treten könnten. „Die Rechtsverordnungen können aber nur kommen, wenn das Gesetz schon steht“, so Lauterbach.

Zudem sollten auch Maximalversorger und nicht nur Universitätskliniken führende Rollen bei den geplanten Krankenhauskooperationen einnehmen können, erklärte Schlotzhauer. Denn in manchen Bundesländern gebe es keine Unikliniken in bestimmten Regionen. Die Senatorin wünsche sich hinsichtlich dieser Forderungen eine „größere Beweglichkeit vom Bund“.

Keinen Spielraum sieht Lauterbach bei der Frage nach weiteren kurzfristigen finanziellen Hilfen für die Kran­kenhäuser. Die geplante rückwirkende Refinanzierung der Tarifsteigerungen von Klinikbeschäftigten ab 2024 und der vorgesehene Ausgleich des vollen Orientierungswerts bei der Berechnung der Landesbasisfallwerte seien das „Maximum was der Bund tun kann“.

Gutachten: Verfassungswidrigkeit erkannt

Kritik kam insbesondere von vier Bundesländern. Bayern, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg hatten erneut ein Gutachten in Auftrag gegeben, dass die Verfassungsmäßigkeit des KHVVG-Ge­setzentwurfs prüfen sollte.

Das Ergebnis: Das KHVVG könne nicht wie derzeit geplant ohne Zustimmung des Bundesrates verabschiedet werden. Dieses Vorgehen berge „das Risiko einer formellen Verfassungswidrigkeit“. Vor einem Jahr gab es bereits ein ähnliches Gutachten, dass sich mit den Vorschlägen der Regierungskommission Krankenhausversorgung zur Krankenhausreform beschäftigt hatte.

Die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) erwägt eine Klage gegen den Bund: „Wenn Bundesgesundheitsminister Lauterbach sein Vorhaben nicht korrigieren sollte, wird Bayern vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen klagen.“ Besonders zu kritisieren sei, dass Lauterbach die Versorgungssicherheit gefährde. Denn viel zu viele Krankenhäuser müssten in Folge seines Reformvorschlags ihr Leistungsangebot ganz erheblich verringern, so Gerlach.

Lauterbach reagierte gelassen auf die Vorhaltungen der Länder. Diese Haltung sei nicht neu, sagte er heute. Er setze auf die Verfassungsressorts des Bundes und erklärte, das Gesetz werde so ausgestaltet, dass es zustimm­ungsfrei sei. Die geplanten Rechtsverordnungen mit weiteren Details etwa zu benötigten Mindestvorhalte­zah­len seien hingegen zustimmungspflichtig.

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Die Gesundheitsministerin von Schleswig-Holstein und Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), Kerstin von der Decken (CDU), besteht ebenfalls auf umfangreiche Korrekturen am Gesetzentwurf, um eine von allen befürwortete Reform zum Erfolg zu führen.

Dies könne nur gemeinsam mit den für die Krankenhausplanung zuständigen Ländern gelingen. „Wir fordern daher deutliche und zügige Anpassungen, um zu den gemeinsam vereinbarten Eckpunkten zurück zu kehren und die bereits gemachten Zusagen umzusetzen. Weitere Verzögerungen zu Lasten der Kliniken und der Patientenversorgung darf es nicht geben“, so von der Decken.

Trotz der vielen Meinungsverschiedenheiten betonte Lauterbach: „Ich denke nicht, dass die Reform scheitern wird.“ Sie sei zum jetzigen Zeitpunkt „too big too fail“ und habe eine Bedeutung und Größenordnung ange­nommen, dass sie nicht mehr scheitern könne.

Kritik auch vonseiten der SPD-Minister

Bereits im Vorfeld der Beratungen hatten auch drei SPD-Landesgesundheitsministerinnen und -minister Kritik geäußert. Sowohl das Verfahren, die Krankenhausreform als nicht zustimmungspflichtiges Gesetz mit nachfol­gen­den Verordnungen umzusetzen, als auch zentrale Inhalte des Gesetzentwurfes seien auf der Gesundheits­ministerkonferenz (GMK) der Länder auf einhellige Kritik gestoßen, erklärten gestern Niedersachsens Gesund­heitsminister Andreas Philippi, die Hamburger Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer und Mecklenburg-Vor­pommerns Gesundheitsministerin Stefanie Drese. Die Länder seien in einer konstruktiven Haltung und würden Zugeständnisse des Bundes erwarten, sagten sie unisono.

Für Länder und Regionen mit bevölkerungsbedingt geringen Fallzahlen sehe das aktuelle Modell der Vorhalte­finanzierung noch keine ausreichende Lösung vor, bemängelte Drese. „Ein bestimmter Grundaufwand entsteht unabhängig von der Fallzahl. Dieser Tatsache muss Rechnung getragen werden, sonst kann die Sicherung der Grund- und Notfallversorgung in der Fläche nicht gelingen.“

Nach Auffassung der drei Länder gibt es im KHVVG zu viele Unklarheiten bei der Abgrenzung von stationären und ambulanten Leistungen mit Blick auf die Investitionskosten der Länder. „Insbesondere im Hinblick auf die vom Bund angestrebte und sehr sinnvolle Stärkung von sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen sollte hier nachgebessert werden“, schreiben sie.

Kassen prüfen Klage aufgrund von Finanzierungsplänen

Aus Sicht der Kassen wird die Reform hinsichtlich der geplanten Verbesserung der Qualität der stationären Versorgung ausgehöhlt. Jürgen Hohnl, Geschäftsführer der Innungskrankenkassen (IKK e.V.), bemängelte, dass der Gesetzgeber auf Druck der Länder vielfach von den ursprünglichen Empfehlungen der Regierungskommis­sion abgewichen sei. Der Gesetzentwurf des KHVVG sei nun weniger eine Struktur-, als eine Finanzierungs­reform, so Hohnl.

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Durch zahlreiche Ausnahmetatbestände werde die angestrebte Qualitätsverbesserung der stationären Versor­gung und notwendige Konzentration der Leistungserbringung immer weiter verwässert. Problematisch sei auch, dass die Finanzierung hauptsächlich auf den Schultern der Beitragszahler der GKV liegen solle. Hohnl spielte damit auf die geplanten 25 Milliarden Euro für den Transformationsfonds an, die aus dem Gesundheitsfonds ent­nommen werden sollen. Er appellierte an den Gesetzgeber, sich auf die eigentlichen Ziele der Kranken­hausreform zu besinnen.

Auch der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, erklärte: „Die Reform nähert sich immer mehr dem Kipppunkt, an dem keine Reform das kleinere Übel ist.“ Das ursprüngliche Ziel, flächende­ckend mehr Qualität durch sinnvolle Arbeitsteilung zwischen den Kliniken zu schaffen, gerate mehr und mehr in den Hintergrund.

„Stattdessen entstehen immer mehr Kostenfallen für die Beitragszahlenden“, sagte er mit dem Hinweis auf die geplante Finanzierung des Transformationsfonds. Großzügige Zuschläge sollen zudem hunderte Millionen Euro kosten und wenn die Einzelfallprüfung bei der Abrechnung wegfalle, werde es noch teurer, so Baas. Künftig soll diese Prüfung durch eine Stichprobenprüfung ersetzt werden. Lauterbach verspricht sich dadurch Bürokratie­abbau für die Kliniken.

Baas weiter: „Die Krankenhausreform war eine historische Chance, endlich die veralteten Krankenhausstruktu­ren auf Vordermann zu bringen – und ist auch mit den richtigen Zielen gestartet. Die Politik darf diese Chance jetzt nicht vergeben, sondern muss sich wieder auf die ursprüngliche, sinnvolle Ausrichtung konzentrieren.“

Die Kassen würden deshalb sogar eine Klage gegen den Bund erwägen. Das erklärte die Chefin des Verbands der Ersatzkassen (vdek), Ulrike Elsner, im Gespräch mit der Ärzte Zeitung. Der GKV-Spitzenverband habe eine verfassungsrechtliche Expertise bei der Staatsrechtlerin Dagmar Felix von der Universität Hamburg in Auftrag gegeben, so Elsner. © cmk/aerzteblatt.de

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