Baskenland: Bilbao – von der Industriestadt zu einer Metropole der Kultur

Flamenco? Sonnenbrandgefahr? Lange Sandstrände? Das mag typisch sein für so manche spanische Region am Mittelmeer, nicht aber für das rund 350.000 Einwohner zählende Bilbao. Im autonomen Baskenland ist nicht nur der (Atlantik-)Wind rauer, sondern auch die Landschaft, und manche sagen: der Charakter der Menschen. Anteil daran tragen womöglich die 1970er- und 1980er-Jahre, als die Hafenstadt unter extremer Arbeitslosigkeit litt.

Doch dann erlebte Bilbao eine erstaunliche Wende. Werften und Industrieruinen verschwanden, eine Metro tauchte auf. Sie verband die an der Trichtermündung des Flusses Nervión verstreuten Stadtteile miteinander. Die von Sir Norman Foster geschaffenen, muschelförmigen Metro-Eingänge, „Fosteritos“ genannt, avancierten zudem zu Design-Ikonen.

Mitnichten ein Einzelfall, es entstanden eine Reihe Leuchtturmobjekte: von Santiago Calatravas kreideweißem, lichten Flughafengebäude und seiner grazilen Zubizuri-Brücke über die neo-urbanen Wohntürme des Japaners Arata Isozaki bis zum Palacio Euskalduna. Dieses aus einer unrentablen Werft entstandene Veranstaltungsgebäude, dessen Form an ein Schiff erinnert, wurde 2003 gar zum weltbesten Kongresszentrum geadelt.

Pablo Picasso im Guggenheim-Museum

Das Flaggschiff des Booms stellt jedoch das Guggenheim-Museum für zeitgenössische Kunst dar. Dass es in Windeseile nicht nur zum Wahrzeichen Bilbaos, sondern zu einem der berühmtesten Museen der Welt aufstieg, lag neben der Kunst im Inneren des Gebäudes auch am Äußeren. Mit dem schwungvollen Glitzer-Titan-Bau nahm Star-Architekt Frank Gehry 1997 die Zukunft vorweg.

Quelle: Infografik WELT

Faszination und Besucherstrom sind ungebrochen, auch dank hochkarätiger Sonderschauen. 2023 steht eine besondere an. Zu seinem 50. Todestag wird dem Künstler Pablo Picasso die Ausstellung „Materie und Körper“ (im Original: „Picasso escultor. Materia y cuerpo“) gewidmet. Lucía Agirre, die als Co-Kuratorin großen Anteil daran hat, freut sich: „Die Auswahl an Skulpturen präsentiert die nahezu unendliche Vielfalt an Sprachen und Materialien, die der Künstler verwendet, um die menschliche Körperform darzustellen.“

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Gut zu wissen: Bei der Ausstellung, von Ende September bis Januar im Programm, wird das erste Mal Picassos skulpturales Schaffen umfassend in Spanien gezeigt. „Darüber hinaus“, so die im Großraum von Bilbao geborene und dort lebende 52-jährige Agirre, „handelt es sich um die allererste Picasso-Ausstellung im Baskenland überhaupt“.

Bilbao vereint Tradition und Moderne

Wer junge (und wilde) Kultur sucht, findet sie auch andernorts, etwa in umfunktionierten Lagerhallen bei ZAWP im Zorrotzaurre-Viertel, das mit Livemusik, Workshops und Underground-Kunst aufwartet. Ein weiterer Hotspot für unkonventionelle Geschäfte, Boutiquen, Second-Hand-Läden und Bars sind die Siete Calles, das Herz des Altstadtviertels.

In den sieben Straßen des Casco Viejo, nach der verheerenden Überschwemmung von 1983 renoviert, wechseln sich traditionelle und moderne Geschäfte mit zahlreichen Restaurants ab. Mittendrin: der Jugendstil-Musikpavillon des Architekten Pedro Ispizua, in dem jeden Sonntag die städtische Musikkapelle aufspielt.

Bilbao: Der Mercado de la Ribera ist mit 10.000 Quadratmetern die größte überdachte Markthalle Europas

Der Mercado de la Ribera ist mit 10.000 Quadratmetern die größte überdachte Markthalle Europas

Quelle: pa/Zoonar/@jjfarquitectos

Weitere Höhepunkte markieren die gotische Kathedrale aus dem 14. Jahrhundert, die Basílica de Nuestra Señora de Begoña, das ehrwürdige Teatro Arriaga sowie der fast hundertjährige Mercado de la Ribera. Die mit 10.000 Quadratmetern größte überdachte Markthalle Europas ist so etwas wie die Seele von Bilbao, dank vieler Lebensmittelstände, Gastronomie, Jazzmusik und einem eklektizistischen Gebäudestil, der ganz ohne Pfeiler auskommt.

Auf 43 individuell gestaltete Säulen setzte dagegen Top-Architekt Philippe Starck bei der Umgestaltung des Azkuna Zentroa zum Zentrum für zeitgenössische Kunst und Freizeit.

Entspannen am Ufer des Flusses Nervión

Ein Zentrum des Wohlfühlens stellt für Agirre das rechte Flussufer dar: „Ich liebe dort vor allem den Sonntagmorgen, mache Einkäufe auf dem Blumenmarkt vor dem Rathaus, frühstücke auf der Plaza Nueva und gehe danach am Nervión spazieren, bevor ich mit Freunden etwas trinken gehe, etwa im Abando-Bezirk.“

Bilbao: Am Guggenheim-Museum befindet sich die Puente La Salve. Zwei teils mit dem gleichen Titanblech verkleidete Gerüsttürme verbinden das Museum mit der Brücke

Am Guggenheim-Museum befindet sich die Puente La Salve. Zwei teils mit dem gleichen Titanblech verkleidete Gerüsttürme verbinden das Museum mit der Brücke

Was: pa/Zoonar/elxeneize

Konkret: „Die ,EME Bar‘ und ihre einzigartigen Sandwiches sind ein Gedicht; auch das Gebäck von Don Manuel, wie ein Carolina oder ein Bollo de Mantequilla, beides typisch Bilbao! Dazu zählt auch der Besuch der Oper oder eines Matches im Estadio San Mamés.“

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Im äußerst populären Verein Athletic Club dürfen übrigens nur Fußballer kicken, die aus dem Baskenland stammen oder dort ausgebildet wurden. Das zeugt von Selbstbewusstsein und schafft Identifikation. Man kann sich vorstellen, dass da Stimmung aufkommt!

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Wer lieber selbst aktiv ist, findet viel Auslauf in zahlreichen Parks. Einen einmaligen Blick auf die Stadt ermöglichen die vom Zentrum schnell zu Fuß erreichbaren Hänge, wobei die Wege im hügeligen Hinterland noch eins draufsetzen, und erst recht die Trails an der rauen Küste.

Das Meer erreicht man dank Metro ohnehin schnell. Dass sich etwa in Sopelana mit Vorliebe Surfer treffen, weist auf regelmäßige Winde hin. Wenn die abklingen und die Sonne freie Bahn hat, herrscht aber durchaus Badestimmung – inklusive Sonnenbrandgefahr.

Weitere Tipps und Informationen:

Guggenheim Museum: Geöffnet täglich von 10 bis 20 Uhr; die Ausstellung „Picasso escultor. Materia y cuerpo“ findet vom 29. September bis 14. Januar 2024 statt; guggenheim-bilbao.eus

Restaurants: “Asador Etxebarri“: Essbegeisterte aus aller Welt reißen sich um die Plätze in dem außerhalb von Bilbao gelegenen Restaurant. Kein Wunder: In der „World’s 50 Best“-Liste rangiert es auf Platz drei (asadoretxebarri.com).

„Zortziko“: Sternekoch Daniel García serviert moderne Interpretationen baskischer Spezialitäten – und das in einem außergewöhnlichen, klassizistischen Ambiente mitten in Bilbao (zortziko.es).

Unterkunft: Hotel „Ercilla“: Wem das Guggenheim-Museum gefällt, der wird auch in diesem modernen Viersternehotel seine Freude haben. Nicht nur, weil es in der Nähe liegt, sondern auch wegen der hier gezeigten Kunst von Philippe Starck und Ingo Maurer (ercilladebilbao.com). Im „99 Sushi Bar & Restaurant“ nebenan sind ebenfalls Künstler am Werk (99sushibar.com/99-sushi-bar-bilbao/).

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„Gran Hotel Domine“: Ungewöhnliches Luxushotel gegenüber dem Guggenheim-Museum. Jeder Bereich ist nach einer bestimmten Epoche gestaltet: Bauhaus, Sechzigerjahre, Minimalismus der 90er. Erhaben: die Rooftop-Terrasse (hoteldominebilbao.com).

Weitere Informationen: bilbaoturismo.net; bilbao.eus

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