Bad Ischl-Salzkammergut: In Österreich wird eine Region Kulturhauptstadt 2024

Der Salzberg schickt seinen kühlen Atem entgegen. Acht Grad Celsius. Zu Fuß geht es, über alte Schienen, tief hinein in den Besucherstollen der Salzwelten Hallstatt. An den Holzbalkenstützen, oben und seitlich, glitzern Salzkristalle. Hier, im Hallstätter Hochtal, wird seit 7000 Jahren Salz abgebaut.

Das „weiße Gold“ machte das Salzkammergut reich und gibt den Weg bei Gruppenführungen durch das selbst ernannte älteste Salzbergwerk der Welt vor: mit zwei nachgebauten Bergmannsrutschen, über die man hinabgleitet, und einer farbsatten Ton-Licht-Schau am unterirdischen See. Die Teilnehmer, darunter viele Asiaten, sind von Infotainment und Bespaßung begeistert.

Eigentlich bräuchten weder das Salzbergwerk noch das malerische Hallstatt mit seinen 750 Einwohnern, durch das sich an manchen Tagen an die 10.000 Gäste schieben, mehr Werbung und Zulauf. Doch Overtourism wird 2024 partiell unvermeidlich sein. Denn dann präsentiert sich die gesamte Alpenregion Bad Ischl-Salzkammergut als Europäische Kulturhauptstadt. 23 Gemeinden werden unter dem irreführenden Begriff „Stadt“ zusammengefasst.

Quelle: Infografik Die Welt

Verteilt übers Jahr und verstreut über ein Terrain von etwa 110 mal 50 Kilometern – in Teilen Oberösterreichs und einem Zipfel der Steiermark – wird es ab Ende Januar rund 200 Projekte mit 500 besonderen Veranstaltungen geben. Hinzu kommt eine ähnliche Zahl von Terminen, die in der Gegend ohnehin regelmäßig anstehen. Unterm Strich ein vielversprechender Gipfel der Kultur, der mindestens eine Reise lohnt.

Mehr als Trachten und Blasmusik im Salzkammergut

Stefan Heinisch blickt bereits jetzt über den Tellerrand 2024 hinaus. „Es soll kein einjähriges Festival sein, sondern mehr, nämlich ein Regionalentwicklungsimpuls, der jahrelang wirkt“, sagt der Kulturhauptstadt-Kommunikationsleiter. Der 48-Jährige weiß um die Probleme auf dem Land, ob Fachkräftemangel oder Leerstände von Gebäuden, und erhofft sich einen dauerhaften Anschub.

Zudem solle „ein anderes Verständnis von Kultur“ in die Region transportiert werden, das sich „nicht nur auf Trachtenvereine oder Blasmusik“ beschränkt. „Kultur ist das neue Salz“, so lautet der pfiffige Slogan für das Festjahr. Das „alte“ Salz war Namensgeber des Salzkammerguts und derart begehrt, dass im Mittelalter Salzpiraten am Traunsee wertvolle Schiffsladungen stahlen.

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Das Salzkammergut ist eine Region der Flüsse und Seen, der tiefen Täler und majestätischen Gipfel, der bei Urlaubern beliebten Wander- und Radwege, der Häuser mit verzierten Holzveranden, eines selbstbewussten Menschenschlags. Einen Einschnitt brachte das 19. Jahrhundert: Vor allem in Ischl war es vorbei mit dem provinziellen Gepräge, denn die Gemeinde stieg zum Kurort und zur „Kaiserstadt“ auf. Kaiser Franz Joseph I. verlobte sich hier 1853 mit Elisabeth von Bayern, besser bekannt als Sisi. Seit 1906 nennt sich die Gemeinde stolz Bad Ischl.

Das Monarchenpaar residierte später in der örtlichen Kaiservilla, wo man heute durch eine museale Welt aus massigem Mobiliar, Leuchtern, Gemälden, Seidentapeten und Jagdtrophäen streift. „Im Sommer wurde von hier aus regiert, Ischl war die zweite Hauptstadt der Monarchie“, sagt Führerin Helga Peer.

Kultur-Highlights im Salzkammergut: das Arbeitszimmer von Franz Joseph I. in der Kaiservilla in Bad Ischl

Das Arbeitszimmer von Franz Joseph I. in der Kaiservilla in Bad Ischl

Quelle: Getty Images

Den Royals folgten scharenweise wichtige Persönlichkeiten, in Ischl traf sich die Wiener Sommerfrische-Gesellschaft. Hoforganist Anton Bruckner spielte bei festlichen Anlässen des Kaiserhauses in der Nikolauskirche die Orgel, Franz Lehar komponierte seine „Lustige Witwe“. Literat Mark Twain machte 1898 in Ischl Urlaub, Theodor Herzl, Begründer des politischen Zionismus, schrieb in dem Städtchen seine Erstlingswerke.

Eine Performance von Conchita Wurst in Bad Ischl

2024 wird die k.u.k.-Geschichte allerdings neu betrachtet: In Bad Ischl wird es das Projekt „k(ritisch) u(nd) k(ontrovers)“ geben, das mit Kitsch und Klischees aufräumen und den romantisierenden Habsburger-Mythos hinterfragen will. Mit Informations-Stelen, mit Ton- und Bilddokumenten. Die sollen zum Beispiel darüber aufklären, dass der Kaiser im Sommer 1914 ausgerechnet in Bad Ischl die Kriegserklärung an Serbien proklamierte – der Erste Weltkrieg begann.

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Fröhlicher wird es am 20. Januar 2024, dem Eröffnungstag, zugehen. Vollbart-Diva Tom Neuwirth alias Conchita Wurst tritt in Bad Ischl mit einer Performance in Aktion, im Kurpark soll ein tausendkehliger Chor unter Leitung von Hubert von Goisern „mit Jodlern und Rufen den Lärm der Welt in Musik verwandeln“, meldet das Festkomitee.

Am selben Tag öffnet das ehemalige Sudhaus seine Tore zu „Kunst mit Salz und Wasser“, der Hauptausstellung des Jahres. Kurator Gottfried Hattinger, der die Atmosphäre alter Fabrikgebäude schätzt, inszeniert Künstler aus einem Dutzend Ländern mit originellen Skulpturen, Installationen und Videokunst.

Österreich: Das „Volxfest“ experimentiert mit Traditionen und Volksmusik

Das „Volxfest“ experimentiert mit Traditionen und Volksmusik

Quelle: Franzi Kreis

Wie ein roter Faden ziehen sich ambitionierte Initiativen durch das Jahr und die Region. So wie das „Volxfest“, das traditionelle Musik, Tanz und Tracht experimentell verjüngen will.

So wie der „Große Welt-Raum-Weg“ – eine Audiotour mit 15 Stationen, die man mit Kopfhörern ausgestattet von der Pfarrkirche Bad Ischl aus bis zur Ischler Hütte ins Tote Gebirge wandern kann. Das Projekt ist langfristig angelegt und soll mindestens zehn Jahre angeboten werden. Wobei sich erst noch herausstellen muss, ob „in der Steinwüste des hochalpinen Plateaus“ tatsächlich „Mensch und Welt-Raum zueinander finden können“, wie die Ankündigung hochgreifend verspricht.

Das Jahr als Kulturhauptstadt soll langfristig wirken

Zukunftsweisend klingt das „Wirtshauslabor“. Begleitet von Wirt Christoph Held, der auf dem Siriuskogl über Bad Ischl ein Restaurant betreibt, treten Schüler der örtlichen Tourismusschule dem Wirtshaussterben entgegen. In Eigenverantwortung lassen sie 2024 das aufgegebene Bahnhofsgasthaus an 30 Öffnungstagen wieder aufleben. Dieses Projekt musste etliche bürokratische Hürden nehmen, denn die meisten Teilnehmer sind noch nicht volljährig.

Mit Blick auf das Tote Gebirge: Der „Große Welt-Raum-Weg“ ist als Audiotour angelegt

Mit Blick auf das Tote Gebirge: Der „Große Welt-Raum-Weg“ ist als Audiotour angelegt

Was: Christoph Mayer

Langfristig plant die Keramikstadt Gmunden. Die setzt sich im neuen Kunstquartier Stadtgarten in Szene, das aus der einstigen Stadtgärtnerei erwachsen wird – bisher eine Brache, jetzt das neue Kulturforum der Stadt, das über 2024 hinaus bestehen bleibt. Drei Keramikkunstausstellungen wird es hier zwischen April und November geben, zum Teil hochkarätig bestückt mit Werken von Ai Weiwei, Miquel Barceló und Pablo Picasso.

Andreas Murray, Geschäftsführer des Tourismusverbands Traunsee-Almtal, rechnet damit, dass die Zahl der Gäste im Kulturhauptstadtjahr „um 25 bis 30 Prozent“ steigt, letztlich ein Plus von einer Million Besuchern. Das Programm klingt so vielfältig wie vielversprechend. Gut möglich, dass den Machern ein großer Wurf gelingt und sie der alteingesessenen Tourismusdestination, die im Laufe der Jahrzehnte etwas Staub angesetzt hat, mit dem „neuen“ Salz ungeahnten Auftrieb geben werden.

Tipps und Informationen:

Anreise: Mit der Bahn von München bis Attnang-Puchheim, dort umsteigen in die Regionalbahn nach Gmunden, Bad Ischl und Hallstatt. Wer im eigenen Auto anreist, sollte die in Österreich geltende Vignettenpflicht auf Autobahnen und Schnellstraßen beachten, 2024 kosten zehn Tage 11,50 Euro, zwei Monate 28,90 Euro; neuerdings gibt es auch Ein-Tages-Vignetten für 8,60 Euro (asfinag.at/maut-vignette/vignette).

Kulturtipps: Einen guten Überblick über die im Kulturhauptstadtjahr geplanten Projekte, die in vier Programmlinien unterteilt sind, bietet die Website salzkammergut-2024.at/projekte/. Mit der Kulturcard 2024 erhalten Besucher das ganze Jahr über Preisnachlässe in Museen, bei Konzerten und Ausstellungen in der Region sowie bei Programmen der Kulturhauptstadt. Die Karte kostet 49 Euro, sie ist bei den Tourismusverbänden im Salzkammergut sowie online erhältlich.

Unterkunft: Bad Ischl bietet eine Reihe von Unterkünften, vom Vier-Sterne-Hotel bis zur Ferienwohnung, 113 stellt die Website badischl.salzkammergut.at/gastgeber/alle-gastgeber.html vor. Eine Gastgeber-Übersicht zu Hallstatt findet sich unter hallstatt.net/unterkunftsverzeichnis/gasthoefe-und-hotels/.

Weitere Infos: Oberösterreich: oberoesterreich.at; Salzkammergut: salzkammergut.at; Bad Ischl: badischl.salzkammergut.at; Kulturhauptstadt 2024: salzkammergut-2024.at; Österreich: austria.info.

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Oberösterreich Tourismus. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter axelspringer.com/de/werte/downloads.

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