Die Geschichte war eigentlich zu schön, um wahr zu sein, und enthielt fast alles, was man für eine Gründerstory braucht: zwei junge Menschen, die gut bezahlte Jobs aufgeben, um ihren Traum zu verwirklichen; ein hippes Produkt, das eher durch Zufall als durch strategische Planung für Aufsehen sorgt; zwei prominente Investoren; und eine TV-Show, die die Gründer berühmt macht. Mit diesen Zutaten ist das Frankfurter Start-up Lizza in den vergangenen Jahren bekannt und zu einer Marke geworden. Doch nun steht das Unternehmen, das Low-Carb-Produkte herstellt, also Pizzaböden, Müslis oder Brotbackmischungen mit wenig Kohlenhydraten, an einem Tiefpunkt. Wie Insolvenzberater Andreas Kleinschmidt gegenüber der F.A.Z. bestätigte, steckt Lizza derzeit im Insolvenzverfahren.
Wie konnte es so weit kommen? Schließlich war Lizza mit seinen Vorzeigegründern Marc Schlegel und Matthias Kramer ein gefeierter neuer Stern am Frankfurter Gründerhimmel gewesen. 2015 hatten die beiden Ex-Banker eher durch Zufall ihr Food-Start-up gegründet, nachdem sie eigentlich eine Dating-App auf den Markt bringen wollten. Als sie die Anwendung Freunden präsentierten, waren diese wenig begeistert – stattdessen aber von der Leinsamenpizza, die sie ihnen zum Abendessen vorsetzten. Plötzlich standen die zwei ehemaligen Mitarbeiter der Deutschen Bank im Foodtruck und verkauften kohlenhydratarme Pizza.
Durchbruch in der TV-Show „Höhle der Löwen“
Der Durchbruch folgte 2016 in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“: Beim Fernsehsender Vox sahen drei Millionen Menschen zu, wie die Promi-Investoren Frank Thelen und Carsten Maschmeyer 150.000 Euro in das junge Unternehmen investierten. Noch in derselben Nacht gingen über den Onlineshop mehr als 20.000 Bestellungen bei Lizza ein. Die Gründer mieteten eine alte Bäckerei im Stadtteil Goldstein, bauten dort eine Produktion auf, und die Leinsamenpizza landete in den Regalen von Edeka, Rewe und Kaufland.
Es war ein rasanter Aufstieg. Die Investoren Thelen und Maschmeyer unterstützten ihn nicht nur finanziell, sondern ließen sich nach dem TV-Auftritt auch medienwirksam mit den Gründern und grüner Lizza-Schürze fotografieren und filmen. Investor Thelen sagte während eines Besuchs bei Lizza, solch einen Raketenstart habe er noch nie erlebt.
Thelen und Maschmeyer verkaufen Anteile
Doch schon gut drei Jahre später verkauften die Promi-Investoren ihre Anteile an Lizza wieder, vermutlich mit einem satten Gewinn. Hatten die beiden Geldgeber 2016 für 150.000 Euro ein Viertel der Geschäftsanteile übernommen, war das Unternehmen 2020 Insidern zufolge schon mehrere Millionen Euro wert.
Der Käufer der Anteile, das Hamburger Familienunternehmen Cremer, versprach, mit der langjährigen Expertise als Zulieferer auch von Lebensmitteln das Geschäft ausbauen zu wollen. Im gleichen Jahr verabschiedeten sich aber die Gründer Kramer und Schlegel aus der operativen Führung, sie blieben nur noch Minderheitsgesellschafter. Ihre Begründung: Sie seien für das Management des Unternehmens nicht mehr die Richtigen. Neuer Chef wurde Andreas Bahlsen aus der gleichnamigen Keks-Dynastie.
Abwärtstrend nach Rekordjahr
Doch seitdem ließ sich der Aufwärtstrend nicht fortführen. Nach dem Rekordjahr 2020, in dem Lizza laut Jahresabschluss 4,9 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftete, gingen die Einnahmen zurück, 2021 lag der Umsatz nur noch bei knapp 4,3 Millionen, gleichzeitig stieg der Fehlbetrag von 2,3 auf 3,2 Millionen Euro.
Ob das der Grund war, weshalb die milliardenschwere Cremer-Holding Lizza im September vergangenen Jahres schon wieder abstieß, ist nicht klar. Überhaupt ist es schwierig, Informationen darüber zu bekommen, woran das Unternehmen krankt. Sowohl die Pressestelle des Unternehmens als auch der auf der Website angegebene Geschäftsführer Damian Werner melden sich auf Anfragen nicht zurück.
Große Pläne, wenig Ertrag
Seit Herbst vergangenen Jahres ist das britische Unternehmen S-Ventures alleiniger Inhaber von Lizza, auch von dort gab es keine Reaktion auf Anfragen der F.A.Z. In einer Pressemitteilung zur Übernahme durch S-Ventures im September jubelte Lizza darüber, Teil eines Mehr-Marken-Hauses zu werden, welches als „Wachstumsplattform für gesunde Food- und Snacks-Alternativen fungiert“. Hier sollte Lizza einerseits „vom markenübergreifenden Know-how und den Infrastrukturen profitieren“. Gleichzeitig sollte der Standort in Neu-Isenburg, wo Lizza inzwischen sitzt und produziert, als europäischer Hub für die Internationalisierung aller in der Unternehmensgruppe ansässigen Food-Marken dienen.
Doch daraus ist offenbar nichts geworden. Insolvenzverwalter Andreas Kleinschmidt sagte der F.A.Z., der Investor habe die Finanzierung von Lizza eingestellt, weshalb das Unternehmen, das derzeit noch keine schwarzen Zahlen schreibt, in Schieflage geriet. Kleinschmidt sagte, die Konsumzurückhaltung im vergangenen Jahr, besonders bei Biolebensmitteln, habe für einen Rückgang bei den Absatzzahlen gesorgt. Dem Investor S-Ventures sei seinen Informationen zufolge immer klar gewesen, dass bei Lizza weiter Geld zugeschossen werden müsse, „aber vielleicht nicht in dem Umfang, der dann nötig wurde“.
Die Produktion bei Lizza, das derzeit in Neu-Isenburg gut 30 Mitarbeiter beschäftigt, läuft Kleinschmidt zufolge weiter. Bis Ende Mai hofft er, einen Käufer gefunden zu haben, „das Interesse ist sehr groß, wir müssen nun erst mal alles sichten“. Er sei aber optimistisch, dass man für Lizza eine Lösung finden werde.