Anschläge auf Moscheen geplant: Gruppe-S-Mitglieder zu Haftstrafen verurteilt

Vor vier Jahren beschlich einige Ermittler des baden-württembergischen Landeskriminalamts (LKA) das ungute Gefühl, sie könnten es mit einem „NSU 2.0“ zu tun haben, einer zweiten rechtsterroristischen Gruppierung, die sich vorgenommen hatte, den Staat in seinen Grundfesten zu erschüttern. Unter dem Einfluss der schweren Versäumnisse der Sicherheitsbehörden bei der Verfolgung der Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe wollte man nichts falsch machen.

Das LKA identifizierte eine „Gruppe S“, die möglicherweise ausgesprochen brutale Anschläge auf Moscheen plane, um damit islamistische Gegenaktionen zu provozieren, die die Bundesrepublik an den Rand des Bürgerkriegs bringen könnten. Auch über Attentate auf die Grünenpolitiker Robert Habeck und Anton Hofreiter soll in den Chatgruppen der Rechtsextremisten gesprochen worden sein.

Nach mehr als 170 Prozesstagen fällte das Oberlandesgericht Stuttgart nun ein Urteil gegen die verblieben neun Angeklagten; ein Beschuldigter starb an einem Herzinfarkt, ein weiterer beendete sein Leben. Den Rädelsführer Werner S., einen Schrotthändler aus Bayern, verurteilte die Kammer wegen Unterstützung und Gründung einer terroristischen Vereinigung zu einer Haftstrafe von sechs Jahren; den zweiten Rädelsführer Tony E., einen ehemaligen Krankenpfleger, zu fünf Jahren und drei Monaten.

Die weiteren sieben Angeklagten erhielten Haftstrafen zwischen einem und drei Jahren, zumeist wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit unerlaubtem Waffenbesitz. Den Spitzel des baden-württembergischen Landeskriminalamts, durch den die sich konstituierende rechtsterroristische Gruppe nach einem Treffen im nordrhein-westfälischen Minden im Februar 2020 aufgeflogen war, sprach das Gericht frei. Die umfangreichen Waffensammlungen der verurteilten Täter ließ das Gericht beschlagnahmen.

Durch die frühe Entdeckung der Gruppe konnte ein Anschlag vermutlich verhindert werden. Zu konkreten Anschlagsplanungen kam die „Gruppe S“ nicht mehr, aber in den Chatprotokollen finden sich viele Ankündigungen und Absichtserklärungen für Gewalttaten. Vor allem beim den Treffen in Minden soll über die Planung eines „Kriegs“ gesprochen worden sein. Die Verteidiger zogen im Verfahren die Glaubwürdigkeit des „Kronzeugen“ und LKA-Spitzels in Zweifel, ein Verteidiger formulierte es mal so: „Es war eine Tafelrunde von Maulhelden, die beim Mettbrötchen vom Endsieg träumte.“

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Feindselige Einstellung gegen Flüchtlinge

Das Gericht sah es nach der Beweisaufnahme anders und bewertete die Gruppierung als gefährlich und als ein neues, rechtsextremistisches Phänomen, das vor allem durch die sozialen Medien entstanden sei. Die vorläufigen Diskussionen über zu planende Anschläge, vor allem bei dem Treffen in Minden, schätzte das Gericht als ernst ein: Alle Angeklagten hätten eine feindselige Einstellung gegen Flüchtlinge, insbesondere dunkelhäutige Menschen und Muslime, geäußert; sie seien der Auffassung gewesen, dass die Ausbreitung des Islams in Deutschland gestoppt werden müsse.

„Einige Angeklagte waren in dieser Zeit in rechtsextremen, bürgerwehrähnlichen Gruppierungen, die teilweise bundesweit agierten, aktiv und übten dabei Führungspositionen aus“, führte das Gericht aus. Bei dem maßgeblichen Treffen in Minden hätten die Organisatoren die Mitglieder der „Gruppe S“ dann in „offensive“ und „defensive“ Täter eingeteilt, also in Aktivisten, die sich an gewalttätigen Anschlägen beteiligen, und solche, die das nicht tun würden. Fünf der nun verurteilten Angeklagten bejahten das in Minden und erklärten, sich an Anschlägen zu beteiligen.

Rädelsführer Werner S. führte dann aus, dass man Anschläge auf Moscheen begehen müsse, um so letztlich einen Bürgerkrieg auszulösen. Den Vorschlag eines Angeklagten, die Moschee in Köln als größte Moschee Deutschlands für einen Anschlag auszuwählen, lehnte er ab, da dort das Risiko zu groß sei, gefasst zu werden. Zielführender seien nacheinander durchgeführte Anschläge auf fünf oder sechs etwas kleinere Moscheen, die jeweils einen bedeutenden Imam hätten, sodass auf muslimischer Seite mit besonders großer Empörung zu rechnen sei.

Der Vorsitzende Richter kritisierte vor der eigentlichen Urteilsbegründung das Verhalten der Strafverteidiger und auch die Berichterstattung über das Verfahren. Es sei falsch, wenn die Verteidiger behaupteten, im Juli 2023 seien plötzlich 15 Terabyte Daten aufgetaucht, die nicht mehr in das Hauptverfahren eingeführt worden seien. „Vielmehr haben sie 27 Monate keine Akten gelesen, sie haben 27 Monate nicht verteidigt und ihren Job nicht gemacht“, sagte der Vorsitzende Richter.

Offenbar würden für die Verteidiger die berufsrechtlichen Verpflichtungen nicht gelten. Über die bei den Angeklagten gefundenen Daten gebe es ein Inhaltsverzeichnis, das 900 Seiten lang sei, die Daten seien für die Verteidigung zugänglich gewesen. Die Strafverteidiger hätten das Verfahren mit „juristischer Dampfplauderei“ und Falschbehauptungen belastet.

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