Angriff von Shein: Zalando & Co. müssen „höllisch aufpassen“

„Kühleres Wetter erfordert heißere Mode.“ Der Modeversender Shein ist auf seiner deutschsprachigen Website offensichtlich am Puls der Zeit – zumindest beim Slogan zum Wettergeschehen. Das ist Strategie: Der chinesische Anbieter, bei den überwiegend jungen Kundinnen beliebt wegen seiner radikal niedrigen Preise, will sich stärker auf den deutschen Markt ausrichten. Aktuell etwa sind für Oktoberfest taugliche geschnürte Kleider für um die 25 Euro im Angebot.

„Teil unseres Erfolgs ist die Anpassung an lokale Gegebenheiten. Deshalb arbeiten inzwischen 15 Menschen in Berlin für uns“, sagte Leonard Lin WELT im Video-Call. Der Manager ist Chef des Büros in Singapur und leitet die weltweite Öffentlichkeitsarbeit.

Seine Mission: Shein als globalen Konzern positionieren, Vorbehalte gegen die Billigmode ausräumen – und womöglich den Weg für einen Börsengang in den USA bahnen.

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Billige Ware aus Fernost für den deutschen Markt ist nichts Neues. Schon der Erfolg von Tchibo beruhte auf dem Prinzip. Doch jetzt sind es erstmals chinesische Anbieter, die die Produkte selbst in Deutschland vermarkten – und dabei die einheimischen Händler dank Direktversand aus Asien beim Preis deutlich unterbieten.

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Noch schneller als Shein wächst dabei – nur wenige Monate nach dem Start in Europa und den USA – die Konkurrenz Temu. Die Shopping-App bietet ein breites Sortiment von Mode über Deko-Artikel bis hin zu Unterhaltungselektronik, teils skurril, teils nützlich, immer aber billig.

Da gibt es eine bunte Toilettenschüssel-Innenbeleuchtung für 3,27 Euro, ein Doppelpack blau-weiße Bayern-Flaggen für 5,49 Euro oder ein Akku-Lichtset fürs Fahrrad im „Blitzdeal“ für 5,07 Euro inklusive Versandkosten.

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Investoren rechnen mit weiterem Wachstum

Die beiden Anbieter fahren trotz ihrer gemeinsamen chinesischen Wurzeln dabei keine koordinierte Strategie, im Gegenteil: In den USA haben sie sich gegenseitig wegen Marken-Verletzungen verklagt. Und in China kämpfen sie um Fabrikanten.

In den USA sind bei Shein bereits 23,4 Millionen Nutzer monatlich aktiv, bei Temu 75,1 Millionen. Beim Umsatz liegen beide dort inzwischen in etwa gleichauf. Weltweit kam Shein 2022 auf 23 Milliarden Dollar Umsatz, Investoren bewerteten das Unternehmen mit 66 Milliarden Dollar. Das bedeutet: Sie rechnen weiter mit rasantem Wachstum.

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Zunächst waren nur übervolle Lager das Problem

Laut US-Medien bereitet Shein, das von Risikokapitalgebern wie General Atlantic, Tiger Global Management und Sequoia mit gut vier Milliarden Dollar Kapital ausgestattet worden ist, bereits einen Börsengang in New York vor. Die formale Firmenzentrale hat das Unternehmen bereits nach Singapur verlagert – weg von China, das von den USA immer kritischer beäugt wird. Temu residiert offiziell in Boston.

Zum Wachstum beider Händler soll verstärkt auch die Bundesrepublik beitragen. Temu überschwemmt deutsche Nutzer mit Online-Werbung für sein Modell, den Webshop mit Spielelementen wie einem Rabatt-Glücksrad zu verbinden.

Shein geht darüber hinaus in deutsche Innenstädte. „Für uns hat Deutschland Priorität innerhalb des großen europäischen Markts“, sagte Shein-Manager Lin. Im März hat Shein bereits einen temporären Laden in Berlin eröffnet, zwei weitere in anderen Städten sollen noch im laufenden Jahr folgen.

Shein will künftig schneller liefern

Damit will Shein nicht nur bekannter, sondern greifbarer werden. Zudem soll das Berliner Team eine bessere Vorstellung von den Kunden bekommen – über die Auswertung der Nutzerdaten hinaus. „Daten erzählen nur eine Seite der Geschichte. Daher sind Mitarbeiter vor Ort wichtig“, sage Lin.

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Doch nicht nur Marketing soll das Wachstum sichern. Shein will künftig schneller liefern – schließlich dauert die Zustellung aus China etliche Tage, also deutlich länger als etwa bei Zalando, Asos oder About You. Daher hat das Unternehmen ein erstes europäisches Lager in Polen eröffnet.

Damit weicht Shein ein Grundprinzip auf: Bislang lassen die Chinesen nur eine geringe Stückzahl vorab produzieren – oft nur wenige Hundert Stück. Nachproduziert wird erst, wenn sich ein Muster auf der Website als Renner erweist.

Laut einem Research-Bericht von „Morgan Stanley“ gibt Shein die Quote unverkaufter Ware mit zwei Prozent an und liege so deutlich unter dem Branchenschnitt. Das helfe dem Anbieter auch bei der Nachhaltigkeit. Umweltschützer wie Greenpeace hingegen warnen, es entstehe kurzlebige Wegwerf-Mode.

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In dem polnischen Logistikzentrum würden solche Teile gelagert, die immer gefragt seien – etwa Jeans und T-Shirts, sagt Lin. Zudem lässt Shein immer öfter in der Türkei produzieren, um schneller nach Europa zu liefern. Ähnlich geht der Konzern in Südamerika vor: Dort wird Brasilien zum neuen Produktionsstandort.

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Somit verzichtet Shein teilweise auf eine Reihe von finanziellen Vorteilen, die einige in der Branche kritisch sehen: Weil der Konzern seine Pakete zu günstigen im Weltpostvertrag festgelegten Kosten bislang direkt aus China verschickt, liegen diese einzelnen Lieferungen in der Regel deutlich unter der EU-Zollgrenze von 150 Euro.

Shein will auch europäische Marken auf die Plattform heben

Anders als Händler, die größere Posten aus China importieren, unterliegt die Ware von Shein und Temu also nicht dem Zollsatz von acht bis zwölf Prozent für Textilen. Es fällt nur die Einfuhrumsatzsteuer von 19 Prozent an. Zudem entfällt die Prüfung durch den Zoll etwa zur Produktsicherheit.

Die EU-Kommission will die Grenze von 150 Euro künftig abschaffen und die Verantwortung für die Einfuhr von den Verbrauchern auf die E-Commerce-Plattformen verlagern. Das könne eine Milliarde Euro zusätzliche Zolleinnahmen im Jahr bringen, rechnet Brüssel vor – und die Pakete von Shein und Temu verteuern.

Allerdings baut der Händler sein Geschäftsmodell ohnehin aus. So will Shein in den kommenden Monaten auch europäische Marken auf seine Plattform nehmen. Dieses Marktplatzmodell, das Konkurrenten wie Amazon und Zalando längst umsetzen, soll das Sortiment ausweiten, um den Geschmack der Deutschen besser zu treffen.

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Paul Niederstein, Geschäftsführender Gesellschafter der Coatinc Company, steht zwischen verzinkten Metallträgern. Das älteste Familienunternehmen Deutschlands kommt aus Nordrhein-Westfalen. Es ist die in der Metallbranche tätige Firma The Coatinc Company aus Siegen. Bis ins Jahr 1502 reichen ihre Wurzeln zurück. +++ dpa-Bildfunk +++

In Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien werde das gerade getestet und solle noch im laufenden Jahr starten, sagte Lin. Auch daran arbeiten die Teams in Berlin und der neuen Europa-Zentrale in Dublin. „Gespräche mit europäischen Modemarken laufen“, sagt Lin. Vorbild ist Südamerika, wo der Shein-Marktplatz bereits läuft. Attraktiv dürfte das vor allem für preisgünstige Marken sein.

Solche Pläne könnten die deutschen Online-Händler, deren Aktienkurs seit Beginn des Ukraine-Kriegs im Keller ist, treffen. Von einer „Gefahr für die etablierten Anbieter“, spricht E-Commerce-Experte Gerrit Heinemann. Zalando und About You müssten „höllisch aufpassen“.

Zalando-Chef Robert Gentz selbst gibt sich noch entspannt. „Unser Profil unterscheidet sich sehr von Shein“, sagte er WELT am Rand des Halbjahres-Calls. Zalando arbeite mit hochwertigeren Marken und habe eine Kundenbasis von 50 Millionen Nutzern. Allerdings: Zalando wuchs zuletzt kaum noch – ganz anders als Temu und Shein.

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