Als die Gene fremdgehen sollten

Dass der Mensch sich mit der gezielten Manipulation von Genen eine Kulturtechnik aneignen würde, die nicht einfach als Gen-Chirurgie zu begreifen ist und damit als Revolution einer neuen, heilsbringenden Biotechniker-Kaste, das beschäftigte Paul Berg schon kurz nach seinen bahnbrechenden Experimenten zum „Hybrid-Genom“.

Joachim Müller-Jung

Redakteur im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.

Vor etwas mehr als fünfzig Jahren war es ihm mit seiner Tumorvirenforschung gelungen, in die kleine, leicht zu übertragende Erbsubstanz – die DNA – von SV40-Viren einige Gene von Kolibakterien einzuführen. Anhand dieser mit Fremdgenen ausgestatten Viren-DNA konnte er prüfen, wie die Viren an der Krebsentstehung beteiligt sind. Berg, damals schon an der Stanford-Universität und in engem Austausch mit den wichtigsten Genforscher seiner Zeit, kreierte damit das erste DNA-Molekül, das sich aus Elementen unterschiedlicher Organismen zusammensetzte.

Mit der Entwicklung der „rekombinanten DNA-Technologie“ wurde der gebürtige New Yorker einer der einflussreichsten Biotechniker des zwanzigsten Jahrhunderts. Auch, weil der pädagogisch ambitionierte Paul Berg seine Kollegen zum Nachdenken brachte. Noch bevor er im Jahre 1980 den Chemie-Nobelpreis erhielt, zusammen mit Walter Gilbert und Fred Sanger für ihre Erfindung der Genentzifferung, hatte Berg die aufkeimende Euphorie über die Gentechnik mit einem bis dahin beispiellosen Klausurtreffen gebremst: Auf der von ihm mit initiierten Asilomar-Konferenz 1975 vereinbarten die Wissenschaftler aus aller Welt ein mehrjähriges Forschungsmoratorium – bis die Sicherheit der neuen DNA-Technik abgeklärt wurde, sollten keine weiteren Genmanipulationen stattfinden. Ein Reflexionsprozess, der sich bis in die heutige Zeit des fortschrittlicheren Genom-Editierens fortsetzt. Paul Berg ist, wie erst jetzt bekannt wurde, am 15. Februar mit 96 Jahren in seiner Wohnung auf dem Stanford-Campus gestorben.

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