Warum in Arizona viermal mehr Menschen an COVID-19 starben als auf…

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Seattle – Die standardisierte Sterberate an COVID-19 war in einigen US-Bundesstaaten wie Arizona, New Mexico und der Hauptstadt Washington fast 4 Mal so hoch wie in Hawaii, New Hampshire oder Maine. Eine Studie in Lanzette (2023; DOI: 10.1016/S0140-6736(23)00461-0) macht dafür unterschiedliche Faktoren ver­antwortlich.

Obwohl die USA eines der weltweit besten und teuersten Gesundheitssysteme haben, hat die Pandemie das Land stärker getroffen als alle anderen hochentwickelten Länder. Dies trifft allerdings nicht auf alle Bundes­staaten zu.

In Vermont starben mit 111 Todesfällen pro 100.000 Einwohner weniger Menschen an COVID-19 als in Däne­mark (115/100.000) oder Deutschland (170/100.000). In West Virginia (575/100.000) war die Sterberate dage­gen vergleichbar hoch wie in Russland (537/100,000) oder Peru (631/100.000).

Auch in einer adjustierten Analyse, die Unterschiede im Alter und in der Komorbidität berücksichtigt, war die standardisierte Sterberate in Arizona (581/100.000) und Washington/DC (526/100.000) fast 4 Mal so hoch wie in Hawaii (147/100.000) oder New Hampshire (215/100.000).

Ein Team um Joseph Dieleman vom „Institute for Health Metrics and Evaluation“ an der University of Washing­ton in Seattle macht für die Unterschiede zum einen soziale Faktoren verantwortlich. So war jede Zunahme der Armutsrate in einem Bundesstaat um eine Standardabweichung (SD) mit einem Anstieg der Sterberate an COVID-19 um 23,3 % verbunden. Eine ähnliche Korrelation bestand mit der Ungleichverteilung des Ein­kommens mit einem Anstieg um 11,6 % pro SD.

Auch eine geringe Schulbildung hat dem Virus genutzt. Jedes Schuljahr mehr war mit einem Rückgang der Sterberate um 14,3 % verbunden. Eine Assoziation bestand auch zum interpersonalen Vertrauen der Bevölke­rung (in andere Menschen oder den Staat). Ein Anstieg um 1 SD (mehr Vertrauen) bedeutete 12,9 % weniger Todesfälle an COVID-19.

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Die sozialen Faktoren wirkten sich besonders stark in den Bundesstaaten mit einem hohen Anteil von Afro­amerikanern aus sowie in den Staaten, in der die Mehrheit in der Präsidentenwahl 2020 für Trump gestimmt hatte. Ein klarer Einfluss der politischen Führung auf die Sterberate war jedoch nicht erkennbar: Von den 10 Staaten mit den niedrigsten standardisierten Sterberaten wurden 5 von Republikanern und 5 von Demokraten regiert.

Auch der Zugang zum Gesundheitswesen hat die Sterberate beeinflusst. Die USA haben zwar ein hochent­wickel­tes Gesundheitssystem, viele Menschen können sich eine qualitativ hochwertige Behandlung jedoch finanziell nicht leisten. Versicherte sind besser durch die Pandemie gekommen. Ein Anstieg um 1 SD im „Healthcare Access and Quality“-Index war mit einem Rückgang des Sterberisikos um 16,7 % verbunden.

Der 2. große Einflussfaktor waren die von den Staaten ergriffenen Maßnahmen und das individuelle Verhalten der Bevölkerung. Die Forscher haben die verschiedenen Maßnahmen wie das Schließen von Einrichtungen, Ausgehverbote oder das Tragen von Masken in einem „Mandate propensity“-Score zusammengefasst. Die wenigsten Einschränkungen gab es in Oklahoma. Wenn dieser Bundesstaat dieselben Maßnahmen ergriffen hätte wie Kalifornien wäre es den Berechnungen von Dieleman zufolge zu 32 % weniger Infektionen gekommen.

Beim individuellen Verhalten unterscheiden die Forscher zwischen der Nutzung von Masken, der verminder­ten Mobilität und den Impfungen. Eine hohe Impfquote war sowohl mit einem Rückgang von Infektionen und Todesfällen verbunden. Wenn die Impfquote genauso hoch gewesen wäre wie in Vermont, dem Staat mit der höchsten Impfquote, hätte es in Alabama, wo die Impfquote am niedrigsten war, 30 % weniger Infektionen und 35 % weniger Todesfälle an COVID-19 gegeben, wenn die Berechnungen der Forschergruppe zutreffen.

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Die Benutzung der Masken und die Mobilität haben nur die Zahl der Infektionen, nicht aber die Zahl der To­des­­fälle beeinflusst. In Wyoming, dem Land mit der geringsten Maskennutzung, hätten sich nach den Berech­nungen der Forscher 38 % weniger Menschen mit SARS-CoV-2 infiziert, wenn die Bevölkerung genauso häufig Masken getragen hätte wie in Hawaii, dem Staat mit der höchsten Maskennutzung. Wenn in South Dakota die Mobilität genau so stark gesunken wäre wie in Kalifornien, hätte es dort 37 % weniger Infektionen gegeben.

Die Forscher haben auch die Auswirkung der staatlichen Maßnahmen und der individuellen Schutzmaßnah­men auf die Wirtschaft untersucht. In den meisten Staaten ist es zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung gekommen. Dieser geht nach Einschätzung der Forscher jedoch in erster Linie auf die Pandemie zurück.

Die unterschiedlichen Maßnahmen gegen die Pandemie hätten dagegen keinen Einfluss auf das Bruttosozial­produkt. In einigen Bereichen wie dem Transport und der Freizeit habe es durch die Maßnahmen zwar größe­re Einbrüche gegeben. Diese würden jedoch nur einen relativ kleinen Teil der Wirtschaft ausmachen und sich deshalb nicht auf das Bruttosozialprodukt auswirken.

In den betroffenen Bereichen arbeiten jedoch viele Menschen. Dies erklärt, warum die Schließung von Res­taurants und die verstärkte Verwendung von Masken mit einem stärkeren Rückgang der Beschäftigungsquo­ten verbunden waren. In Bundesstaaten mit weniger Einschränkungen fiel der Rückgang der Beschäftigungs­quote geringer aus. Allerdings stieg hier die Zahl der Infektionen. Die Forscher haben den „Trade off“ berech­net: Jeder Anstieg der Beschäftigungsquote um 1 % war danach mit 1.574 zusätzlichen Infektionen pro 10.000 Einwohner verbunden.

Ein sehr kontroverses Thema sind die Auswirkungen der Pandemie auf die schulische Entwicklung. Verschie­dene Untersuchungen haben gezeigt, dass die Lese- und Rechenleistungen der Kinder am Ende der 4. Klasse nachgelassen haben. Einen Zusammenhang mit den Schulschließungen konnten die Forscher jedoch nicht ermitteln. Die Ergebnisse der Grundschüler waren in Kalifornien, wo die Schulen am längsten geschlossen blieben, nicht schlechter als in Florida oder Maine, wo die Schulschließungen deutlich kürzer waren.

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Stattdessen wurde ein Zusammenhang mit der Maskenpflicht gefunden. Die Erklärung ist nicht einfach. Die Forscher vermuten, dass sich angesichts der Maskenpflicht mehr Eltern freiwillig für das Homeschooling entschieden haben. Dies könnte dann die schlechteren Ergebnisse erklären. Möglicherweise ist die Studie in diesem Punkt aber an die Grenzen ihrer Möglichkeiten geraten. Wie immer in epidemiologischen Studien lässt sich aus den Assoziationen nicht zwingend eine Kausalität ableiten. © rme/aerzteblatt.de

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