Ukraine greift nun mit Leopard-Panzer an, doch Russland hält Stellung

Krieg in der Ukraine
Leopard-Panzer greifen erstmals an, doch die russischen Kräfte können noch die Stellungen halten

Leopard 2 an der Saporischschja-Front

© Telegram / Commons

Die Ukraine setzt ihre Angriffe an verschiedenen Stellen der Front fort. Teils konnten die Russen zurückgedrängt werden, erstmals wurden Leopard-2 Panzer eingesetzt – Russland reklamiert ihren Abschuss.

Die Ukraine greift die russischen Stellungen an. In der ersten Phase gab es die heftigsten Kämpfe um den Novodonets’ke, am Mittwoch wurde schwer an der Zaporizhzhya-Front gekämpft. Entlang der Siedlungen Scherebjanky und etwas weiter östlich bei Nesterianka, Robotyne und Werbowe.

Bei Kam’yans’ke gelang es dabei, die russische Front zurückzudrängen und das gewonnene Gebiet zu halten (Ortsnamen wurde so umschrieben, dass man sie auf Maps finden kann). Das Vorgehen ist immer ähnlich: Die Ukraine versucht, jeweils an mindestens zwei Punkten in die russische Front einzubrechen, um dann in einer kleinen Zangenbewegung die zentrale russische Position abzuschneiden beziehungsweise die Russen dort zum Rückzug zu zwingen. Dabei geht es nicht um einen “großen” Vorstoß, im Falle des Gelingens erlangt Kiew aber bessere Positionen für spätere Operationen.

Was gelingt Kiew?

Kiew konnte bislang keine größeren Ortschaften befreien. Aber doch an einigen Stellen günstigere Positionen erreichen. Etwa einen Höhenzug westlich von Shostakivka. Die ukrainischen Kräfte sind stark genug, um auf breiter Front anzutreten und die Russen deutlich unter Druck zu setzen. Moral und Kampfkraft der eingesetzten Truppen scheinen gut. Und: Die ukrainischen Streitkräfte können diese vorbereitenden Kämpfe bewerkstelligen, ohne ihre eigentliche Reserve einzusetzen. Die zwölf neu aufgestellten Brigaden, die den Kern der großen Sommeroffensive bilden sollen, können weiter geschont werden, während die russischen Fronttruppen abgenutzt werden. Zugleich zeigt sich, dass diese Einheiten die erste russische Linie zumindest zeitweise eindrücken können. Und Kiew die Angriffe mit Artillerie unterstützen kann.

Was gelingt den Russen?

Leider ist die Liste dessen, was Kiew nicht gelingt, bislang weit länger. Bisher hält das russische Konzept der flexiblen Verteidigung – das übrigens dem deutschen Vorgehen in der zweiten Hälfte des Zweiten Weltkriegs ähnelt. Die erste Linie wird gehalten, solange der Gegner im Anmarsch ist und auf dem offenen Gelände Verluste erleiden wird. Dann ziehen sich die eigenen Truppen zurück, doch innerhalb von 24 Stunden kommt es zu einem Gegenangriff, der bisher die meisten ukrainischen Einbrüche bereinigen konnte.

Gleichzeitig kann man sehen, dass es Kiew bislang nicht gelingt, die russische Artillerie niederzuhalten. Im Gegenteil, wie schon der RUSI-Report (The Royal United Services Institute) im Mai festhielt, ist es den Russen gelungen, ein dezentrales Feuerleitsystem einzurichten, das die bisherigen umständlichen Befehlsketten ersetzt. Es sollen nur noch zwei Minuten vergehen, bevor die ukrainische Artillerie mit Gegenfeuer bekämpft wird. Neben den klassischen Haubitzen sollen die Fronttruppen im großen Maßstab von den leicht zu tarnenden 120-mm-Mörsern unterstützt werden. Im Kampfgebiet setzten die Russen Hubschrauber und Erdkampfflugzeuge direkt an der Front ein. Das heißt, die Luftabwehr der Ukrainer kann den Luftraum nicht sperren.

Ukraine unterlaufen schwere Pannen

In der ersten Phase des Krieges wurde im Westen gern das Unvermögen der Russen kommentiert. Bedauerlicherweise sieht man Ähnliches auf ukrainischer Seite. Etwa wenn eine ganze Sturmgruppe im Pulk in eine “Todeszone” hineinfährt und dann inmitten eines Minenfeldes zusammengeschossen wird. Ein Einsatz, der deutlich vor Augen führt, dass schon die einfachsten russischen Befestigungen im Vorfeld der ersten Linie nicht einfach zu durchbrechen sind. Die Anlagen ähneln den Systemen, wie sich die Rote Armee im Zweiten Weltkrieg errichtet hat und die im Westen von David M. Glantz beschrieben worden sind. Das altertümliche Konzept wird heute von Beobachtungs- und Kamikazedrohnen, weitreichenden Anti-Panzer-Raketen und präziser Artillerie deutlich verstärkt.

In einem Pro-russischen Video gerät die Kolonne mit den Leopard 2 unter schweres Feuer. Derzeit konnte die Autentizität des Videos noch nicht überrüft werden.

In einem Pro-russischen Video gerät die Kolonne mit den Leopard 2 unter schweres Feuer. Derzeit konnte die Autentizität des Videos noch nicht überrüft werden.

Wer muss die Reserve bewegen?

Wie wird es weitergehen? Es ist anzunehmen, dass Kiew diese massiven Sondierungsangriffe an verschiedenen Stellen fortsetzen wird. Das Kalkül lautet: Irgendwann wird Russland diesen Druck nicht mehr durch lokale Reserven ausgleichen können. Wenn diese erschöpft sind, ist der eigentliche Zweck dieser vorgelagerten Offensivoperationen erreicht. Russland muss seine strategischen Reserven in Bewegung setzen. An der Front hält Kiew die innere Linie, Russland die äußere. Truppen zu verlagern, ist auf der äußeren und längeren Linie immer schwerer und aufwändiger. Kiew will, dass Russland seine eigentliche Reserve als Feuerwehr an verschiedenen Stellen an die Front wirft.

Als Angreifer kann Kiew sich diese Zone in einem gewissen Maße aussuchen. Durch die permanenten Kämpfe wird die russische Logistik angespannt. Wenn dann die russischen Reserven zerstreut und gebunden sind, kommt es zur Großen Sommeroffensive, der Russland nichts mehr entgegenwerfen kann. So die reine Theorie, wie sie von vielen Militärs diskutiert wird. Der blinde Fleck in dieser Strategie sind die ukrainischen Verluste. Dieses Kalkül kann aufgehen, wenn Kiews Truppen an der Front diese Angriffe fortsetzen können, während die Fronttruppen der Russen erschöpft werden. Einfach gesagt: Die Russen müssen in der Verteidigung weit höhere Verluste erleiden als die angreifenden Ukrainer. Das ist nicht unmöglich, doch derzeit gibt es dafür keine Anzeichen.

Einsatz der Leopard 2

Tatsächlich sind die ersten Leopard 2 an der Zaporizhzhya-Front eingesetzt worden. Russische Blogger sind überrascht, dass die “wertvollen” Westpanzer als Rammbock eingesetzt werden, um die russischen Stellungen zu durchstoßen. Angeblich ist die Gruppe mit den Panzern in einem Minenfeld liegengeblieben und unter schweres Feuer gekommen. Auch sieht es so aus, als hätten die Russen das Radar eines Iris-T-Systems aufgespürt und vernichtet. Beides ein Anzeichen, dass Kiew doch schon jetzt die besten Truppen in die Kämpfe schickt.

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