Reise-Podcast-Macher: „Schon das nächste Dorf kann ein Abenteuer sein“

„Reisen Reisen“ – so heißt der Reise-Podcast von Michael Dietz und Jochen Schliemann, unter diesem Titel erschien auch gerade ihr erstes Buch, und mit „Reisen Reisen live“ gehen sie ab April auf Deutschland-Tour.

QUADDEL: Was bitte ist denn eine Podcast-Bühnenshow?

Michael Dietz: Das sind sehr lebendige Abende voller Reise-Kopfkino, Fernweh und Spaß mit dem Publikum.

Jochen Schliemann: Wir lesen aus unserem neuen Buch, erzählen in einem Live-Podcast Geschichten, malen Bilder mit Worten, vertonen Landschaften, Gerüche, Geschmäcker, erklären Orte mit ihren Eigenschaften und wie man dort am besten reist.

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Dietz: Manchmal zeigen wir auch Bilder, wie wir in den 90ern gereist sind, allein die Outfits von damals sind so Panne.

Schliemann: Keiner hat eine größere Sammlung an hässlichen Sonnenbrillen als Michi.

Dietz: Lenk nicht vom Thema ab! Also Podcast-Bühnenshow heißt, dass jeder Gast uns mit allem konfrontieren darf. Natürlich drehen sich viele der Fragen in erster Linie um das Thema Reisen. Orte, Tipps, Ratschläge, Routen, Einschätzungen. Wir können da oft helfen.

Schliemann: Aber irgendwie sind auch immer Sachen dabei wie: „Wann seid ihr mal so richtig gescheitert?“ und „Wann geht ihr beide euch mal so richtig auf die Nerven?“

Dietz: Das ist oftmals sehr lustig, auch weil Jochen und ich unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen haben.

QUADDEL: Sie haben mittlerweile über 130 Podcasts produziert, die bis Ende 2022 über vier Millionen Mal gehört wurden; welche Sendungen haben die höchsten Zugriffszahlen?

Schliemann: Besonders gut laufen „Im Nachtzug nach Paris“, „Wandern in Südtirol“, „Roadtrip Australia“ und „Essen in Japan“.

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QUADDEL: Essen in Japan? Über dieses Thema können Sie eine geschlagene Stunde plaudern?

Dietz: Es waren sogar anderthalb Stunden. Essen in Japan ist ein abendfüllendes Thema, darüber kann man die Zeit vergessen. Einmal habe ich in Kyoto fast den Zug verpasst, weil ich mich nicht für ein Gericht entscheiden konnte. Die Auswahl ist absurd groß, alles, was essbar ist, wird in unendlich vielen Variationen so schön präsentiert, dass man von allem probieren möchte.

QUADDEL: Auf den Bahnhöfen?

Dietz: Ja, selbst im abgelegensten Bahnhof im kleinsten Kaff des Landes werden Reisenden frisch zubereitete, schmackhafte Speisen von höchster Qualität offeriert. Essen, das man unterwegs oder auf Reisen zu sich nimmt, heißt Bento auf Japanisch. Und Bento, die man an Bahnhöfen kaufen kann, werden Ekiben genannt.

Michael Dietz mit einem der heiligen Rehe in der ehemaligen japanischen Hauptstadt Nara

Michael Dietz mit einem der heiligen Rehe in der ehemaligen japanischen Hauptstadt Nara

Quelle: Reisen Reisen

QUADDEL: Auf der Bestenliste in Ihrem Buch „Reisen Reisen“ tauchen Bento und Ekiben aber nicht auf, Herr Dietz.

Dietz: Aber nur knapp nicht. Sorry, diese Welt ist voll von Köstlichkeiten, ich könnte eine Top 100 von Lieblingsessen machen und darauf würden immer noch Gerichte fehlen, die Weltklasse sind.

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Schliemann: Dafür ist japanisches Essen aber auf meiner Bestenliste, ich esse genauso gern wie Michael, und in der Stadt Fukuoka, in einem winzigen Restaurant, habe ich das beste Negitoro Temaki meines Lebens gegessen. Das Nori war knusprig, der Toro cremig, der Reis warm, der Wasabi so mild – ich habe mir das Negitoro Temaki dann gleich noch als Bento einpacken lassen.

Dietz: Das Ekiben, das ich wirklich am abgefahrensten finde, ist das, was in der Künstlerstadt Kanazawa auf Honshū, der Hauptinsel Japans, angeboten wurde. Das Ekiben wird dort nämlich in einer Box verkauft, die wie eine Kommode mit Schubladen aussieht – links der Aal, rechts die Garnelen, und wenn man frisches Gemüse möchtet, findet man es in der obersten Schublade. Wie großartig und detailverliebt ist das denn?

QUADDEL: Hat das Essen schon immer eine so große Rolle für Sie gespielt?

Schliemann: Wir sind keine Billig-Airline-Bucher, Schnäppchen-Jäger, Wochenend-Flieger. Uns geht es ums echte Reisen, um Emotionen, um menschliche Begegnung, um Kultur, um sinnliche Erlebnisse wie Bento und Ekiben, darum, was das Reisen mit einem selbst machen kann.

Dietz: Richtig, etwa wenn man irgendwo im georgischen Hinterland voller Vorfreude ein Khachapuri bestellt. Denn auf den Dörfern wird der Hefeteig noch selbst gemacht und darf lange gehen. Dann liegt da plötzlich dieses wunderbar weiche Käsebrot mit dem Ei on top vor dir und ich könnte mich reinlegen und dazu georgischen Naturwein trinken. Was bei uns gerade hip wird, also Naturweine, machen Georgier schon seit tausenden Jahren so.

Schliemann: Um das Ganze mal abzukürzen – die Küche Georgiens ist einfach der Wahnsinn!

Dietz: Und bezahlbar! In die georgische Hauptstadt Tiflis kommen Menschen aus ganz Europa zum Feiern, es ist aufregend, wild, aber sicher, und die Leute sind offen und neugierig. Der Kaukasus, aber auch der Balkan sind tolle Regionen für junge Leute, um mit kleinem Budget loszureisen. Megaspannend ist Albanien. Da passiert so viel und du hast alles: eine Hauptstadt Tirana, die sich gerade neu erfindet, Strände und Buchten, so schön und einsam wie selten an der Adria, und die Berge sind ein absoluter Wandertraum.

Lust auf Albanien? Hier gibt es Tipps:

Schliemann: Perfekte Einsteigerziele für individuelles Reisen Südostasien sind auch Thailand und Indonesien. Südostasien ist noch immer günstig, zwar nicht mehr so extrem billig wie in den 90ern, aber wenn man nicht wie ein Pauschaltourist auftritt, reicht das Geld länger als derzeit in Deutschland.

Dietz: Wer in Thailand statt Schnitzel und Kölsch zu bestellen in die regionale Küche eintaucht, in kleinen Restaurants isst und in lokalen Unterkünften schläft, ist auch näher dran am echten Reisen und gleichzeitig nachhaltiger.

Für Jochen Schliemann gehört zum Reisen das Kosten der landestypischen Küche dazu

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Quelle: Reisen Reisen

QUADDEL: Nachhaltigkeit – gutes Stichwort: In Ihrem Buch schreiben Sie, an die Machbarkeit nachhaltigen Reisens zu glauben. Wie halten Sie es denn selbst mit der Nachhaltigkeit?

Schliemann: Wir beide reisen, wann immer möglich, in Europa mit dem Zug. Und wenn es weiter weg geht, dann planen wir die Reise als Reise ihres Lebens – so lange wie möglich und nur einmal. Außerdem kompensieren wir alle unsere Reisen mit unserem Partner myclimate.

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Dietz: Individuelles und nachhaltiges Reisen beflügeln einander sogar! Wenn Sie nach einer Nachtzugreise aufwachen und im Sonnenaufgang an der Côte d’Azur entlang rollen …

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Schliemann: … oder mit der Fähre auf den Färöer Inseln ankommen oder beim Zähneputzen aus dem Wagon in den Dschungel Südthailands schauen – das ist besser als jeder Kurzstreckenflug. Es klingt schrecklich überstrapaziert, aber der Weg ist tatsächlich das Ziel.

Dietz: Es kann auch keine Lösung sein, dass niemand mehr reist und alle zu Hause bleiben. Reisen ist eine Kulturtechnik, Verständnis für andere Lebensweisen zu gewinnen, sich ein eigenes Bild zu machen – das ist unverzichtbar für eine tolerante, friedliche Weltgemeinschaft. Gerade in Zeiten wie diesen.

QUADDEL: In Zeiten wie diesen fragt man sich allerdings auch, ob es moralisch vertretbar ist, dieses oder jenes Land zu bereisen. Würden Sie beispielsweise nach Aufhebung der Russland-Sanktionen wieder in Putins Reich fahren?

Schliemann: Nicht in Putins Reich, aber in das wahre Russland würden wir fahren, das sicher anders denkt und fühlt als dieser entmenschlichte Kriegstreiber. In Ländern, wo man individuell reisen kann und wenig Berührungspunkte mit staatlichen Institutionen hat, ist die Gefahr gering, sich mit einem Regime gemein zu machen.

Dietz: Deshalb fällt Nordkorea für uns raus, weil man dort nur staatlich bewachte Bus-Touren machen kann, fernab des Alltags.

Schliemann: Ich habe auch lange überlegt, ob ich in das von einer Militärjunta regierte Myanmar fahren soll – und mich schließlich dafür entschieden. Zum Glück, denn ich erlebte eine der wundervollsten Reisen meines Lebens, weil ich am System vorbei mit den einfachen Menschen in Kontakt war, bei denen ich aß und übernachtete. Auch in Kuba war das möglich. Man muss sich informieren, abwägen und Prioritäten setzen.

Dietz: Um so zu reisen, wie wir das meinen, muss man übrigens auch nicht bis ans andere Ende der Welt jetten – die Müritz, der Breisgau oder das nächste Dorf kann schon Abenteuer sein.

QUADDEL: Abenteuer in Deutschland? Nennen Sie doch mal ein Beispiel.

Dietz: Gleitschirmfliegen im Allgäu. Fast mein ganzes Leben lang habe ich das Allgäu als Rentnerparadies abgetan, wo meine Oma hingefahren ist. Dann war ich eher zufällig dort – und war hin und weg. Die Berge, die Wasserfälle, die Knödel. Von den grünen Hügeln rund um Oy-Mittelberg, über die Sommeralmen und Bergseen. Und erst die Romantik einer Stadt wie Wangen. Und all das kann man auch von oben sehen, denn das Allgäu ist eine Gleitschirmhochburg.

Im Allgäu sieht man viele Gleitschirmflieger, die den Blick von oben auf die Alpen genießen

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Quelle: Getty Images/imageBROKER RF/imageBROKER/Norbert Neetz

QUADDEL: Das war Ihr Abenteuer?

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Dietz: Mag ja sein, dass Sie ein Tandemflug kalt lässt, aber ich bin 1,97 Meter groß und musste deshalb entgegen der Regel den Flugleiter huckepack nehmen und selbst den Piloten spielen, das heißt, Richtung Klippe rennen und springen.

Schliemann: Zum Glück bist du nicht an der Kante gestolpert.

Dietz: An den Absprung kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Mein Gehirn hat da Selbstschutz betrieben und alles gelöscht. Aber den Flug werde ich nie vergessen. Zusammen mit einem Adler, ja wirklich, haben wir majestätische Runden über den Alpen gedreht. Herrlich!

QUADDEL: Diese lockeren Plaudereien zwischen Ihnen, denen man leicht beim Bügeln und Kochen zuhören kann – liegt darin das Geheimnis Ihres Erfolges?

Schliemann: Vielleicht ja. Wir erzählen Geschichten von spannenden Orten. Von Australien bis in die Eifel. Ohne Filter.

QUADDEL: Was sollte man Ihrer Meinung nach einmal im Leben gemacht haben?

Dietz: Einfach losreisen, ohne konkreten Plan.

Schliemann: Und alle beruflichen Passwörter zu Hause lassen.

Dietz: Einen Roadtrip machen.

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Schliemann: Etwas essen, das man noch nie gegessen hat.

Dietz: Eine längere Auszeit nehmen – zum Reisen. Und vorher unser Buch lesen und Reisen-Reisen-Podcasts hören, um die To-do-Liste zu verlängern.

QUADDEL: Zu Ihren Podcast-Sendungen laden Sie hin und wieder Gäste wie Farin Urlaub ein, Liedsänger der Band Die Ärzte. Hängt sein Pseudonym mit seiner Reisebegeisterung zusammen?

Schliemann: Ja, er liebt eben Urlaub oder besser das Reisen, weil es die besten Geschichten schreibt und obendrein schlauer, respektvoller, toleranter und demütiger macht.

Dietz: Mindestens für diese eine Stunde in unserem Podcast ist der Rockstar wie wir, unsere Hörerinnen und Hörer und alle da draußen, die ähnlich denken: ein neugieriger Reisender. Nicht mehr und nicht weniger.

Schliemann: Jetzt hast Du am Ende doch noch was Schönes gesagt.

Dietz: Das ist nur passiert, weil ich so viel Zeit mit Dir verbringe.

Schliemann: Ich müsste jetzt los, gerade wird es unangenehm für mich.

Michael Dietz und Jochen Schliemann haben vieles gemeinsam, dasselbe Geburtsjahr (1976), denselben Beruf (sie arbeiten als Journalisten und Moderatoren unter anderem für den WDR) – und beide lieben das Reisen. Über hundert Länder haben sie bereits gesehen und noch immer Fernweh. 2018 riefen sie den Podcast „Reisen Reisen“ ins Leben.

Das Buch von Michael Dietz und Jochen Schliemann „Reisen Reisen: Wie wir die Welt entdecken wollen“ ist im Malik Verlag erschienen, 208 Seiten, 18 Euro. Weitere Informationen zur Deutschland-Tour „Reisen Reisen live“ unter reisen-reisen-der-podcast.de/events/.

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