Bestehende Datacenter modernisieren
Operation am offenen Herzen – Rechenzentren nachhaltiger machen
Von
Frank Kemper
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Viele Rechenzentren in Deutschland wurden bereits vor über 20 Jahren gebaut – und sind weiterhin voll in Betrieb. Den CO2-Fußabdruck bestehender Anlagen möglichst klein zu halten, erweist sich in der Praxis als anspruchsvolle Herausforderung mit hohen Hürden.
(Bild: Gorodenkoff – stock.adobe.com)
Wann immer ein Rechenzentrumsbetreiber den Spatenstich für ein neues Datacenter feiert, dürfen die Begriffe „Nachhaltigkeit“ und „Umweltschutz“ nicht fehlen. Die Reduzierung des CO2-Footprints ist heute bei der Planung neuer Anlagen einer der wichtigsten Punkte. Doch was ist mit bereits bestehenden Rechenzentren? Rund um die Jahrtausendwende begann in Deutschland ein wahrer Bauboom für Datacenter und Colocation Spaces. Und viele dieser Anlagen sind heute noch in Betrieb. Zwar tut dort kein Prozessor und keine Festplatte aus den Anfangstagen mehr Dienst, doch die Gebäude-Infrastruktur ist oft noch dieselbe, von der Beleuchtung über die Stromversorgung bis zur Klimaanlage.
Diese Altlasten haben einen negativen Effekt auf den so genannten PUE-Wert (Power Usage Effectiveness) eines Rechenzentrums. Er sagt aus, wie viel vom Gesamtstromverbrauch des Rechenzentrums auf die installierten Computersysteme entfällt und wie viel auf die umgebende Infrastruktur. Ein PUE-Wert von 1,5 bedeutet, dass ein Drittel des Gesamtverbrauches des Rechenzentrums auf Dinge wie Klimatisierung, Licht und Stromversorgung entfällt. Bei einem PUE-Wert von 2,0 würde die Infrastruktur die Hälfte des verbrauchten Stromes fressen. Nach Berechnungen des Uptime Institute lag im Jahr 2020 der PUE-Wert aller großen Rechenzentren weltweit bei durchschnittlich 1,57. Mit anderen Worten: Rund 40 Prozent des Energiebedarfs eines Rechenzentrums fällt für die Infrastruktur an. In Europa liegt der PUE-Wert im Schnitt bei 1,46 und damit niedriger als im Nahen Osten und Afrika (1,79). Ursachen dafür sind größere Stromsparbemühungen wegen eines hohen Strompreises – und das kältere Klima im Norden, das dort die Klimatisierung erleichtert.
(Bild: Uptime Institute Global Survey of IT and Data Center Managers 2020)
Ziel: PUE-Wert von 1,3
Geht es nach der Politik, ist selbst ein PUE-Wert von 1,46 noch zu hoch. Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Welt sollten in Deutschland zukünftig nur noch Anlagen laufen, die einen PUE von maximal 1,3 erreichen. Das macht ein Rechenzentrum jedoch nicht automatisch klimaneutral. In der Diskussion um den Energieverbrauch von Rechenzentren, so warnt Béla Waldhauser, werden gern die Begriffe „nachhaltig“, „klimaneutral“ und „effizient“ durcheinander geworfen. Der CEO des Frankfurter Rechenzentrumsbetreibers Telehouse Germany verweist darauf, dass beim Bau neuer Gebäude viel CO2 frei wird, was bestehende Anlagen automatisch nachhaltiger macht. Und auch den Unterschied zwischen „klimaneutral“ und „effizient“ weiß Waldhauser zu erklären: „Wenn man ein Rechenzentrum mit einem PUE-Wert von 1,8 komplett mit grünem Strom betreibt, mag das klimaneutral sein, aber eine Anlage mit einem PUE von 1,2 arbeitet wesentlich effizienter, selbst wenn der Strom nicht aus erneuerbaren Quellen stammt.“
Die Gebäude weiter nutzen, aber mit neuen Innenleben? Natürlich ließe sich der Energieverbrauch senken, indem man die gesamte Infrastruktur in einem Datacenter gegen neueste Komponenten auswechselt, aber dem steht ein wichtiges Problem entgegen: Die unvermindert hohe Nachfrage nach Rechenzentrumskapazitäten. In Deutschland sind die meisten Anlagen schlicht ausgebucht. Am Standort Frankfurt am Main beträgt der „Leerstand“ gerade einmal 4,5 Prozent. Das neueste Rechenzentrum im Frankfurter Gallusviertel, das Telehouse gerade errichtet, soll im Frühjahr in Betrieb gehen – und war bereits neun Monate vorher komplett vermietet.
Was für die Anbieter grundsätzlich eine erfreuliche Situation ist, erweist sich bei der energetischen Sanierung von Altanlagen als Problem. „Ein Rechenzentrum ist always on“, erklärt Waldhauser, „eine Umrüstung auf eine neue Infrastruktur ist deshalb immer eine Operation am offenen Herzen.“ Der Manager, der auch als Sprecher der Datacenter Expert Group im eco Verband der Internet-Wirtschaft fungiert, vergleicht die Situation mit einem Wohnblock: „Dort können Sie im Sommer eine neue Heizung einbauen, wenn die Leute nicht heizen müssen. Ein Rechenzentrum muss das ganze Jahr und rund um die Uhr im Betrieb sein.“ Völlig hoffnungslos sei die Situation indes nicht: „In vielen Fällen können wir redundante Systeme austauschen. Während des Austausches verlieren wir dann allerdings die Redundanz.“
(Bild: eco Verband der Internetwirtschaft e.V.)
Data Center heizt Wohnanlage
Heute verwandelt ein Rechenzentrum den Großteil des eingesetzten Stroms in Wärme, die über Abluft-Systeme in die Umwelt abgegeben wird. In den Augen vieler Umweltschützer liegt ein Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit in der Nutzung dieser Abwärme. Auch dafür hat Telehouse ein interessantes Projekt am Start. „Franky“ heißt ein neues Wohnbauprojekt im Frankfurter Gallusviertel. Ab Ende 2024 sollen dort rund 1.300 Wohneinheiten mit insgesamt 91.000 qm Wohnfläche entstehen – beheizt aus der Abwärme des Rechenzentrums, das auf der anderen Straßenseite steht. Dazu installiert der lokale Energieversorger Mainova Wärmetauscher im Telehouse-Rechenzentrum und leitet die Energie über Rohre unter der Straße ins neue Franky-Wohnquartier.
Stand vom 30.10.2020
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Was sich so einfach anhört, ist das Resultat einer günstigen Ausgangslage: Das Telehouse-Rechenzentrum nutzt die Immobilie des alten Telenorma-Werkes 1, und Franky entsteht auf dem Grundstück, auf dem früher das Telenorma-Werk 2 stand. Beide Komplexe wurden früher über ein unternehmenseigenes Heizkraftwerk zentral versorgt, und dieses Rohrsystem wird jetzt weitergenutzt. Dabei sieht der Deal zwischen Telehouse und Mainova so aus, dass der IT-Dienstleister die Abwärme kostenlos bereitstellt und der Versorger die Wärmeanlage betreibt. Doch auch die Planer des Wohnbauprojektes trugen ihren Teil bei: Alle Wohnungen sind mit speziellen Fußbodenheizungen ausgestattet, die auf die niedrige Temperatur der Rechenzentrums-Abwärme abgestimmt sind. Rund drei Gigawatt an Wärmeenergie stellt das Rechenzentrum so dem Wohnkomplex zur Verfügung, etwa 70 Prozent des Wärmebedarfs für Heizung und Warmwasser. Doch was im ersten Moment supereffizient aussieht, ist in Wirklichkeit nur ein Tropfen auf den heißen Stein: Das Datacenter von Telehouse verbraucht pro Jahr 130 Gigawatt Strom, die Heizung für Franky sind nur zwei Prozent davon. Ginge es nach Waldhauser, müsste die Abwärme aus den Telehouse-Anlagen viel mehr Menschen erreichen, um einen wirklich sinnvollen Beitrag leisten zu können.
Schwimm- und Thermalbäder bieten sich zum Beispiel an. Neu ist die Idee nicht: Bereits seit 2008 heizt die Schweizer Gemeinde Uitikon ihr Schwimmbad mit der Abwärme des öffentlichen Rechenzentrums.
Temperaturunterschiede erschweren die Nutzung
Könnte man nicht die Abwärme von Rechenzentren in großem Stil in die Fernwärmenetze unserer Städte einspeisen? Im Moment stehen dem noch physikalische Schranken gegenüber. Die Abluft aus luftgekühlten Serverracks liegt typischerweise bei 35 Grad, die Betriebstemperatur der heutigen Fernwärmesysteme der 3. Generation hingegen bei 90 bis 110 Grad. Um diese Unterschiede anzugleichen, könnten Rechenzentrumsbetreiber ihre Computer mit Wasser kühlen und so ein Temperaturniveau von über 50 Grad erreichen. Stünde auf der anderen Seite ein Fernwärmesystem der 4. Generation mit einer Betriebstemperatur von rund 70 Grad zur Verfügung, ließe sich eine Einspeisung technisch einfacher realisieren. Doch IT-Fachmann Waldhauser sieht da alle Partner in der Pflicht: „Alle müssen an einem Strang ziehen.“
Und die Rechenzentrums-Kunden? Auch sie können ihren Beitrag zu mehr Effizienz leisten. Der reicht vom Einsatz optimierter Software und der besseren Ausnutzung vorhandener Server-Kapazitäten durch Virtualisierung bis zu einer realistischeren Einschätzung beim Infrastrukturbedarf. Heute nutzen Rechenzentrums-Kunden oft nur 55 bis 60 Prozent der Stromversorgungs-Kapazität, die sie bestellt haben. Das bedeutet für das Rechenzentrum, dass es eine 100-Kilowatt-Versorgung gewährleisten muss, auch wenn der Kunde nie mehr als 60 kW benötigt. Die Differenz macht sich im eingangs erwähnten PUE-Wert negativ bemerkbar.
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